Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
nur finster murmelte und die anderen den Asphalt anstarrten.
Der Jet hob ab, und ich fuhr mit Nick Ruwe zum Holiday Inn. Wir lachten über den Zigarettenalarm, aber er grübelte noch. »Mir macht nur Sorgen«, sagte er, »dass sonst niemand was gemerkt hat. Scheiße, die Jungs werden schließlich dafür bezahlt, den Boss zu beschützen …«
»Äußerst miese Dienstauffassung«, sagte ich. »Besonders wenn man bedenkt, dass ich in deren Gegenwart ungefähr drei King Size Marlboros gequalmt hab, während wir da standen. Scheiße, ich hab die Kippen weggeschnipst, hab mir ’ne neue angesteckt … Ihr Jungs habt Glück, dass ich ein vernünftiger und verantwortungsbewusster Journalist bin … sonst hätte ich womöglich noch mein brennendes Zippo in den Treibstofftank geworfen.«
»Sie bestimmt nicht«, sagte er. »Egomanen machen so was nicht.« Er feixte. »Sie würden doch nie etwas tun, worüber Sie später nicht mehr schreiben können, weil Sie tot sind, oder?«
»Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte ich. »Kamikaze ist nicht mein Stil. Ich ziehe die subtile Finesse vor, Zurückhaltung und Fingerspitzengefühl – denn schließlich bin ich Profi.«
»Das wissen wir. Darum sind Sie ja dabei.«
In Wahrheit war der Grund ein ganz anderer: Ich war an jenem Abend der Einzige im Pressekorps, der von sich behaupten konnte, vom Profi-Football ebenso besessen zu sein wie Nixon. Zudem war ich der Einzige, der sich unverhohlen und aggressiv als Peace Freak outete; der Einzige, der alte Levi’s trug und einen Skianorak, der Einzige (nein, da war noch einer ), der in Nixons großem Greyhound-Pressebus Gras geraucht hatte, und zweifellos der Einzige, der den Kandidaten gewohnheitsmäßig als »den Dummbatz« titulierte.
Ich musste es dem Mistkerl also hoch anrechnen, dass er den Mumm bewies, unter fünfzehn oder zwanzig konventionellen und einflussreichen Pressevertretern, die seit zwei oder drei Wochen inständig um auch nur ein Fünf-Minuten-Interview gebettelt hatten, gerade mich auszuwählen, um mit ihm auf seiner letzten Fahrt durch New Hampshire die Rückbank seines Wagens zu teilen.
Aber es gab natürlich einen Haken: Ich musste mich einverstanden erklären, ausschließlich über Football zu reden. »Wir wollen, dass der Boss zur Ruhe kommt«, sagte mir Ray Price, »aber er kann sich nicht entspannen, wenn Sie ihn mit Vietnam, Rassenkrawallen oder Drogenproblemen vollquatschen. Er möchte, dass jemand mit ihm fährt, der was von Football versteht.« Er warf einen ungnädigen Blick auf das gute Dutzend Reporter, die darauf warteten, in den Pressebus zu steigen, und schüttelte betrübt den Kopf. »Ich hab rumgefragt«, sagte er. »Aber bei den anderen ist es hoffnungslos – schätze also, dass Sie es sind.«
»Wunderbar«, sagte ich. »Packen wir’s an.«
Es lief gut. Mir machte es Spaß – obgleich es mich auch etwas irritierte, denn ich hatte angenommen, dass Nixon genauso wenig vom Football verstand wie davon, den Krieg in Vietnam zu beenden. Er hatte bei seinen Wahlreden oft Football-Spielzüge wie end runs und power sweeps erwähnt, aber ich hätte im Leben nicht gedacht, dass er tatsächlich mehr über Football wusste als über die Grateful Dead.
Doch ich irrte mich. Was auch immer man über Nixon sagen mag – und ich zweifle weiterhin ernsthaft daran, dass er etwas Menschliches hat –, auf jeden Fall kennt er sich als totaler Fan mit allen Feinheiten des Profi-Footballs aus. Irgendwann während unseres Gesprächs, als ich das Gefühl hatte, meine Position stärken zu müssen, erwähnte ich aus dem unausgeglichenen Super-Bowl-Spiel 1967 zwischen Green Bay und Oakland einen down-&-out -Pass auf einen unbekannten Ersatz-Receiver bei Oakland namens Bill Miller, der mir wegen seiner extrem präzisen Platzierung im Gedächtnis geblieben war.
Er zögerte einen Augenblick, gedankenverloren, und schlug mir dann auf den Schenkel. Lachend rief er aus: »Genau, mein Gott, stimmt! Der Junge aus Miami!«
Das ist vier Jahre her. LBJ war damals unser Präsident, und im Winter 1968 deutete nichts darauf hin, dass er schon bald seinen Hut nehmen würde. Johnson wirkte zu der Zeit ebenso zäh und unverwundbar wie Nixon heute … und es ist leicht beunruhigend, sich daran zu erinnern, dass Richard Nixon während jener Phase seines Wahlkampfs scheinbar keine größere Chance hatte, ins Weiße Haus gewählt zu werden, als Hubert Humphrey sie heute, im Februar 72, besitzt.
Als Nixon nach New Hampshire reiste, galt
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