Die Romanow-Prophezeiung
offensichtlich warteten seine Gesprächspartner in Moskau auf mehr.
»Ich glaube, dass Lord mich kontaktieren wird«, erklärte Hayes.
»Warum glauben Sie das?«, fragte Zubarew.
»Er hat keinen Grund, mir nicht zu vertrauen. Ich bin sein Arbeitgeber und verfüge über Beziehungen zur russischen Regierung. Gerade wenn er den Gesuchten findet, muss er Kontakt zu mir aufnehmen. Ich wäre der Erste, den er davon in Kenntnis setzen würde. Er weiß, was für unsere Klienten auf dem Spiel steht und was das für sie und für ihn selbst bedeuten würde. Er wird sich bei mir melden.«
»Bisher hat er das nicht getan«, bemerkte Lenin.
»Aber er war ständig auf der Flucht. Und bisher hat er offensichtlich nichts Greifbares vorzuweisen. Er ist noch auf der Suche. Lassen wir ihn suchen. Wenn er Erfolg hat, wird er mich anrufen. Da bin ich mir vollkommen sicher.«
»Wir müssen die Sache nur noch zwei Tage unter Kontrolle halten«, erklärte Stalin. »Nach Baklanows Wahl wird es zum Glück schwer sein, seinen Aufstieg zum Zaren rückgängig zu machen, wenn wir mit der öffentlichen Meinung nur vorsichtig genug umgehen. Falls danach irgendetwas ans Licht kommt, können wir die Sache einfach als eine weitere dieser Verschwörungstheorien darstellen. Keiner wird dann noch ernsthaft daran glauben.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, entgegnete Hayes. »Aufgrund der Tatsache, dass der genetische Code der Romanows inzwischen aufgezeichnet ist, könnte man mit Hilfe von DNA-Tests eine Verwandtschaft mit Nikolaus und Alexandra eindeutig beweisen. Auch ich bin der Meinung, dass wir die Lage unter Kontrolle halten können, doch wir müssen dafür sorgen, dass von den Romanow-Nachfahren nur noch Leichen übrig bleiben und dass diese Leichen niemals gefunden werden. Sie müssen vollständig verbrannt werden.«
»Lässt sich das durchführen?«, wollte Chruschtschow wissen.
Hayes wusste nicht recht, wie er es anstellen sollte, war sich aber völlig klar, was sowohl für ihn als auch für seine Bundesgenossen auf dem Spiel stand. Daher gab er die erwünschte Antwort:
»Selbstverständlich.«
42
Genesis, North Carolina
16.15 Uhr
Lord sah durch die Windschutzscheibe und bewunderte interessiert den dichten Bestand hoher Bäume, die zu beiden Seiten des ansteigenden Highways die Hänge bedeckten. Die Rinde zeigte ein scheckiges Dunkelgrau, die länglichen Blätter ein üppiges Grün. Er hatte hier mehrmals ein verlängertes Wochenende verbracht und erkannte Platanen, Birken und Eichen, die recht häufig vorkamen. Aber nun konnte er noch eine weitere Baumart richtig bestimmen.
»Das dort sind Blauglockenbäume«, sagte er und zeigte darauf. »Gestern Abend habe ich gelesen, dass sie um diese Jahreszeit ihre Samen freigeben. Ein einziger Baum verstreut zwanzig Millionen Samen. Kein Wunder, dass die Bäume überall wachsen.«
»Warst du früher schon mal hier?«, fragte Akilina.
»Ich war schon in Asheville, das wir vor einer Weile durchfahren haben, und in Boone, das weiter nördlich liegt. Die Gegend hier ist im Winter ein riesiges Skigebiet und im Sommer einfach wunderschön zur Erholung.«
»Die Landschaft erinnert mich an Sibirien. An die Gegend, in der meine Großmutter lebte. Da gab es auch niedrige Bergketten und Wälder, genau wie hier. Auch die Luft war dort so kühl und frisch. Ich war schrecklich gerne dort.«
Rundum machte sich der Herbst bemerkbar, und die Berghänge und Täler leuchteten rot, golden und orangefarben, während Nebel wie Rauch aus den tiefsten Talgründen aufstieg. Nur die Nadelbäume und die Blauglockenbäume behielten eine lebhaft grüne, scheinbar sommerliche Färbung bei.
Sie hatten in Dallas einen Flug nach Nashville erwischt. Von dort hatte ein halb volles Pendelflugzeug sie vor etwa einer Stunde nach Asheville gebracht. In Nashville war ihm das Bargeld ausgegangen, und er war gezwungen gewesen, seine Kreditkarte zu benutzen, wobei er nur hoffen konnte, dass sie diese Maßnahme nicht noch bereuen würden. Er wusste genau, wie gut die Spuren von Kreditkarten sich verfolgen ließen. Aber auch der Kauf von Flugscheinen war kontrollierbar. Lord konnte nur hoffen, dass Maxim Zubarews prahlerische Behauptung, sich des Beistands des FBI und des Grenzschutzes versichert zu haben, nur leeres Gerede war. Er konnte sich zwar nicht sicher sein, vermutete aber, dass die Russen unabhängig von den US-Behörden arbeiteten – es mochte vielleicht ein paar Kontakte geben, doch die Unterstützung war
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