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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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und drückte ab.
    Die Tontaube zerstob in tausend Stücke.
    »Guter Schütze«, lobte Chruschtschow.
    »Ich bin leidenschaftlicher Jäger.«
    Hayes verbrachte mindestens neun Wochen im Jahr auf Jagdexpeditionen in allen möglichen Teilen der Welt. Kanadische Karibus und Gänse, asiatische Fasane und Wildschafe, europäische Rothirsche und Füchse, afrikanische Kaffernbüffel und Antilopen. Ganz zu schweigen von den Enten, Hirschen, Waldhühnern und Wildtruthähnen, auf die er in den Wäldern im Norden Georgias und in den Bergen des westlichen North Carolina Jagd machte. Sein Büro in Atlanta war voll gestopft mit Trophäen. Die letzten Monate aber waren so arbeitsintensiv gewesen, dass er kein einziges Mal zum Schießen gekommen war, und so war er dankbar für diesen Ausflug.
    Unmittelbar nach seinem Treffen mit Stalin hatte er Moskau verlassen. Ein Chauffeur hatte ihn zu einem Landgut fünfzig Kilometer südlich der Hauptstadt gebracht. Das Gutshaus aus rotem Backstein war mit Efeu berankt. Es gehörte einem weiteren Mitglied der Geheimkanzlei – Georgi Ostanowitsch, den Hayes besser unter dem Namen Lenin kannte.
    Ostanowitsch war Angehöriger des Militärs. Dicke Brillengläser umrahmten die stahlgrauen Augen des dünnen, leichenblassen Mannes. Er war General, auch wenn er nie eine Uniform trug. In der ersten Phase des Tschetschenienkrieges hatte er seine Soldaten als Frontoffizier zum Angriff auf Grosny geführt. Dieser Konflikt hatte ihn eine Lunge gekostet; seitdem fiel ihm das Atmen schwer. Nach dem Krieg hatte er sich zu einem der schärfsten Kritiker Jelzins und seiner unentschlossenen Militärpolitik entwickelt, und nur Jelzins Rückzug von den Schalthebeln der Macht hatte seine Degradierung verhindert. Die höchsten russischen Offiziere sorgten sich um ihre Zukunft unter dem neuen Zaren, und da die Armee überall mitmischte, hatte man Ostanowitsch in dieser Angelegenheit zu ihrem Vertreter bestimmt.
    Lenin stellte sich in Position und bereitete sich auf den Schuss vor.
    »Ab«, brüllte der Russe.
    Volltreffer.
    »Ausgezeichnet«, sagte Hayes anerkennend. »Bei der tief stehenden Sonne wird es immer schwieriger zu treffen.«
    Stefan Baklanow, der »Thronanwärter«, stand ein wenig abseits, seine einläufige Schrotflinte geöffnet in der Hand. Er war eher klein und stämmig mit einem Brustkorb wie ein Fass und hatte eine Halbglatze, hellgrüne Augen und einen dichten Hemingway-Bart. Baklanow näherte sich den fünfzig, und sein emotionslos wirkendes Gesicht machte Hayes Sorgen. In der Politik kam es schließlich nicht darauf an, ob ein Kandidat tatsächlich Führungsqualitäten besaß oder nicht. Entscheidend war, ob es ihm gelang, den Eindruck zu erwecken, er habe sie. Obgleich Hayes nicht daran zweifelte, dass sich zum Schluss alle siebzehn Mitglieder der Zarenkommission bestechen lassen würden, musste ein passender Kandidat irgendwann vor die Öffentlichkeit treten und – was noch wichtiger war – Führungsaufgaben übernehmen oder zumindest auf effektive Weise die Anweisungen derer umsetzen, die ihn auf den Thron gehievt hatten.
    Baklanow trat bis zur Linie vor. Lenin und Chruschtschow zogen sich zurück.
    Mit seiner Baritonstimme fragte Baklanow: »Jetzt möchte ich aber zu gern wissen, ob eine absolute Monarchie geplant ist.«
    »Anders funktioniert es nicht«, erklärte Lenin.
    Hayes öffnete sein Gewehr und holte die leere Patronenhülse heraus. Nur die vier Männer standen auf der erhöhten Backsteinterrasse. Die aus Tannen und Birken bestehenden Wäldchen im Hintergrund nahmen bereits eine herbstliche Färbung an. Hinter einem Pavillon war in weiter Ferne auf offenem Feld eine Bisonherde zu erkennen.
    »Werde ich das uneingeschränkte Oberkommando über das Militär haben?«, fragte Baklanow weiter.
    »Innerhalb gewisser Grenzen«, erklärte Lenin. »Wir leben schließlich nicht mehr zu Nikolaus’ Zeiten. Wir müssen auch die Anforderungen der … Moderne berücksichtigen.«
    »Und werde ich wenigstens die Landstreitkräfte kontrollieren?«
    »Welche Politik würden Sie in Bezug auf das Militär bevorzugen?«, fragte Lenin.
    »Ich wusste gar nicht, dass ich meine eigene Politik machen darf.«
    Der Sarkasmus war nicht zu überhören, und Hayes sah, dass Lenin davon wenig begeistert war. Auch Baklanow schien es zu merken. »Ich verstehe natürlich, General, dass Sie der Meinung sind, das Militär verfüge über viel zu geringe Mittel, und unsere Verteidigungsfähigkeit sei durch die politische

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