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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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seiner Aktentasche und ließ die Schlösser aufschnappen. Viel war nicht drin – nur die paar Kopien von dem, was er in den Archiven von Moskau und St. Petersburg gefunden hatte, sowie einige weitere, weniger wichtige Papiere. Er faltete alle Blätter zusammen und stopfte sie in sein Jackett. Dann tastete er nach seinem Pass und der Brieftasche. Beides steckte noch immer in seinen Taschen. »Diese Aktentasche wäre nur im Weg.«
    Sie nahm ihm die Ledertasche ab. »Ich hebe sie für Sie auf. Wenn Sie sie wiederhaben wollen, kommen Sie einfach in den Zirkus.«
    Er lächelte. »Danke. Vielleicht tue ich das.« Aber irgendwann später einmal, dachte er. Gewiss nicht während dieser Reise.
    Er stand auf und zog sein Jackett an.
    Sie ging zur Tür. »Ich sehe mal im Korridor nach, ob die Luft rein ist.«
    Er umfasste sanft ihren Arm. »Danke für alles.«
    »Keine Ursache, Mr. Lord. Ohne Sie wäre die Fahrt viel langweiliger gewesen.«
    Sie standen dicht beieinander, und derselbe blumige Duft wie in der Nacht stieg ihm in die Nase. Akilina Petrowa war durchaus attraktiv, auch wenn man ihrem Gesicht ansehen konnte, dass sie es nicht immer leicht gehabt hatte. Die sowjetische Propaganda hatte einst behauptet, die kommunistischen Frauen seien die freiesten der Welt. Keine Fabrik funktionierte ohne sie, und der Dienstleistungssektor bräche ohne ihren Beitrag glatt zusammen. Doch sie alterten rasch. Schon seit langem bewunderte Lord die Schönheit junger russischer Frauen, bedauerte aber zugleich die unvermeidlichen Spuren, die ihr hartes Leben früher oder später bei ihnen hinterließ, und er fragte sich, wie diese schöne Frau wohl in zwanzig Jahren aussehen würde.
    Er trat einen Schritt zurück, als sie die Tür des Abteils öffnete und hinausging.
    Kurz darauf öffnete sich die Tür erneut.
    »Kommen Sie«, forderte sie ihn auf.
    Der Korridor war in beiden Richtungen leer. Sie befanden sich bereits im hinteren Teil des langen Waggons. Links, hinter einem weiteren dampfenden Samowar, ging eine Tür nach draußen. Durch das Fenster raste die triste Wirklichkeit Moskaus vorbei. Anders als in amerikanischen oder westeuropäischen Zügen war die Tür während der Fahrt nicht verschlossen.
    Akilina drückte den Griff herunter und zog die Stahltür nach innen auf. Das Rattern der Räder auf den Schienen wurde lauter.
    »Viel Glück, Mr. Lord«, sagte sie, als er an ihr vorbeiging.
    Er schaute ein letztes Mal in ihre blauen Augen und sprang. Im nächsten Augenblick traf er auf dem kalten, harten Boden auf und rollte sich ab.
    Der letzte Waggon fuhr an ihm vorbei, und er stand in der gespenstischen Stille, während der Zug weiter nach Süden rollte.
    In einem von Unkraut überwucherten Grundstück zwischen schäbigen Wohnblocks war er gelandet, und darüber konnte er froh sein. Wäre er etwas später abgesprungen, hätte ihn nur noch harter Beton erwartet. Von der Straße hinter den Gebäuden drang der morgendliche Verkehrslärm zu ihm, und ein stechender Geruch nach Auspuffgasen stieg ihm in die Nase.
    Er stand auf und klopfte sich die Kleider ab. Wieder ein Anzug hinüber. Aber was soll’s, sagte er sich – er würde dieses Land ja heute verlassen.
    Auf der Suche nach einem Telefon näherte er sich einer Straße. Die Geschäfte öffneten gerade, Busse entließen ihre Fahrgäste und stießen beim Weiterfahren schwarze Rußwolken aus. Jenseits der Straße sah er zwei Milizionäre in ihren blaugrauen Uniformen. Anders als Hängelid und Cro-Magnon trugen sie die richtigen grauen Mützen mit rotem Rand. Er beschloss, ihnen aus dem Weg zu gehen.
    Schon nach wenigen Metern fand er ein Lebensmittelgeschäft und trat ein. Der Mann vor den Regalen war hager und alt. »Haben Sie ein Telefon, das ich mal kurz benutzen kann?«, fragte Lord auf Russisch.
    Der Mann warf ihm einen ernsten Blick zu, antwortete aber nicht. Lord griff in die Tasche und zog zehn Rubel heraus. Der Mann nahm das Geld und deutete auf den Ladentisch. Lord wählte das Wolchow und bat die Frau in der Vermittlung des Hotels, ihn mit Taylor Hayes’ Zimmer zu verbinden. Das Telefon läutete ein gutes Dutzend Mal. Als sich die Frau in der Vermittlung wieder meldete, bat Lord sie, es im Restaurant zu versuchen. Zwei Minuten später war Hayes am Apparat.
    »Miles, wo zum Teufel stecken Sie denn?«
    »Taylor, wir haben ein ziemliches Problem.«
    Er erzählte Hayes, was geschehen war. Ein paarmal schaute er zu dem Mann hinüber, der sich an seinen Regalen zu schaffen

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