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Die Romanow-Prophezeiung

Die Romanow-Prophezeiung

Titel: Die Romanow-Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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würden.«
     
    Lord nahm Zuflucht in einem Café. Nach seiner Flucht aus dem Polizeipräsidium war er in die erste U-Bahn-Station abgetaucht und in den erstbesten Zug gestiegen. Danach hatte er mehrmals die Richtung gewechselt. Später hatte er die Metro verlassen und sich unter die abendliche Menge gemischt. Er war eine volle Stunde herumgelaufen, bevor er sicher war, dass ihm niemand folgte. Das Café war voll junger Leute in ausgewaschenen Jeans und dunklen Lederjacken. Der durchdringende Espressoduft machte die nikotingeschwängerte Luft ein wenig erträglicher. Lord setzte sich an einen Tisch an der Wand und versuchte, etwas zu essen. Er hatte schon auf Frühstück und Mittagessen verzichten müssen, aber der Teller mit Bœuf Stroganoff übersäuerte seinen ohnehin schon brennenden Magen noch mehr.
    Er hatte Recht gehabt, was Inspektor Oleg anging. Klar war, dass die Behörden irgendwie in die Sache verwickelt waren. Die Telefonleitungen im Wolchow wurden ganz sicher überwacht. Und mit wem hatte Oleg da telefoniert? Hatte das alles mit der Zarenkommission zu tun? Es schien so. Aber inwiefern? Vielleicht ging jemandem die Unterstützung Stefan Baklanows durch das Konsortium westlicher Investoren, die er und Hayes vertraten, gegen den Strich. Aber sollte ihre Arbeit nicht eigentlich geheim bleiben? Und betrachtete nicht ein erheblicher Teil der Russen Baklanow als engsten lebenden Verwandten der Romanows? Einer erst kürzlich durchgeführten Meinungsumfrage zufolge sprach sich über die Hälfte der Bevölkerung für ihn aus. Das konnten andere natürlich als Bedrohung werten. In jedem Fall hatte die Mafija mit der Sache zu tun. Hängelid und Cro-Magnon gehörten mit Sicherheit zu ihr. Was hatte Oleg gesagt? Keine Gangster mehr. Ich töte ihn selber.
    Zwischen dem organisierten Verbrechen und der Regierung gab es enge Verbindungen. Die russische Politik war so verworren wie das Äußere des Facettenpalasts. Fast stündlich kam es zu neuen Bündnissen. Treu blieb man allenfalls dem Rubel – oder besser gesagt dem Dollar. Das alles war zu viel für Lord. Er musste schnellstens das Land verlassen.
    Aber wie?
    Zum Glück hatte er noch immer seinen Reisepass, die Kreditkarten und etwas Bargeld. Außerdem verfügte er nach wie vor über die Informationen, auf die er in den Archiven gestoßen war. Aber das interessierte ihn jetzt nicht mehr besonders. Nun ging es in erster Linie darum, am Leben zu bleiben – und Hilfe zu finden.
    Doch was sollte er tun?
    Zur Polizei konnte er nicht gehen.
    Vielleicht zur amerikanischen Botschaft … aber da würden sie ihn sicher zuallererst erwarten. Bislang waren die Drecksäcke schon in einem Zug von St. Petersburg nach Moskau und auf dem Roten Platz aufgetaucht – beides Orte, an denen er eigentlich der Einzige hätte sein dürfen, der von seiner Anwesenheit wusste.
    Er und Hayes.
    Was war mit Hayes? Sein Chef hatte sich doch bestimmt Sorgen gemacht, nachdem er gehört hatte, was geschehen war. Vielleicht konnte Hayes ja irgendwie zu ihm kommen? Er hatte jede Menge Beziehungen zur russischen Regierung, aber er würde wohl kaum ahnen, dass die Telefone im Wolchow abgehört wurden. Oder inzwischen vielleicht doch?
    Er trank heißen Tee, um seinen Magen zu beruhigen, und fragte sich, was sein Vater in dieser Situation wohl getan hätte. Seltsam, dass er gerade jetzt an ihn dachte, aber Grover Lord war ein Meister darin gewesen, sich aus schwierigen Situationen herauszuwinden. Seine feurigen Reden hatten ihm so manches Problem eingebrockt, aber er hatte ständig Gott und Jesus als Zeugen gerufen und nie klein beigegeben. Doch nein. Raffiniertes Geschwätz würde ihm hier nicht helfen.
    Aber was dann?
    Er schaute zum Nebentisch hinüber. Ein junges Paar saß dicht beieinander und las in einer Tageszeitung. Er sah den Artikel über die Zarenkommission auf dem Titelblatt und las mit, soweit er konnte.
    Am dritten Tag der ersten Sitzungsperiode waren fünf mögliche Bewerber genannt worden. Baklanow wurde zwar als führender Kandidat bezeichnet, aber Verwandte aus zwei anderen Zweigen der Romanow-Familie beteuerten beharrlich ihre engere Blutsverwandtschaft zu Nikolaus II. Der formelle Nominierungsprozess sollte erst in zwei Tagen beginnen, und alle warteten schon gespannt auf die Diskussionen zwischen den einzelnen Bewerbern und ihren Anhängern.
    In den letzten paar Stunden hatte er an den Nachbartischen einige Gespräche über die bevorstehende Wahl mitgehört. Man schien allgemein

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