Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Spitze kommt. Sich selbst an die erste Stelle zu setzen kann Ihnen sicherlich viel Geld einbringen, vielleicht angeln Sie sich so einen Topmanager-Drehstuhl, aber Freunde finden Sie so keinesfalls – zumindest nicht die Sorte Freunde, die man sich wünscht. Egoistisches Verhalten wird Sie nie und nimmer glücklich machen – es sei denn, Sie haben Spaß daran, mitzuerleben, wie die Leute um Sie herum eine richtig schlechte Zeit haben (schlagen Sie in diesem Fall nach unter ▶ Schadenfreude ).
Höchste Zeit, sich Anregung zu holen von einer unserer literarischen Lieblingsfiguren, Randle P. McMurphy, dem dreisten, unverschämten Iren aus Einer flog über das Kuckucksnest , Ken Keseys Enthüllungsgeschichte über psychiatrische Institutionen, Elektroschocktherapie und Lobotomien von 1962. Mit seinem breiten, offenen Lachen und seiner resoluten Weigerung, sich einschüchtern zu lassen, platzt McMurphy in der Klapsmühle ins Leben der Akuten und der Chronischen – beschädigte Männer, aufgegeben von einer Gesellschaft, die sie zu dem gemacht hat, was sie sind – und verändert sie nachhaltig.
McMurphy ist nicht auf jene langweilige Art selbstlos, wie Heilige und Märtyrer es sind. Wie der behandelnde Arzt in seinem Bericht liest, schützt er wahrscheinlich eine Psychose vor, um der harten Arbeit auf der »Arbeitsfarm« zu entkommen, wo er zuvor schuften musste. Zunächst hat Mc 93 Murphy es noch auf eine gute Zeit abgesehen. Während er seine Runde durch die Station dreht, um sich vorzustellen, und dabei den Rollern, den Gehern und den Vegetierern die Hand schüttelt, wird deutlich, dass er sich nur Bestätigung für seine Überlegenheit über die Gruppe holt. Aber McMurphys unbezähmbarer Geist zeitigt bald seine Effekte bei den Männern. Als er lacht, ist das das erste Lachen, das Häuptling Bromden – der angeblich taubstumme indianische Erzähler der Geschichte, der schon am längsten da ist – seit Jahren gehört hat. McMurphy weiß, dass es an diesem Ort der Einschüchterung, an dem die tyrannische Oberschwester Ratched herrscht, keinem der Männer jemals besser gehen wird. »Mann, wenn du nicht mehr lachen kannst, kannst du auch nicht mehr sicher auftreten«, sagt er.
Und so fängt McMurphy fast unmerklich und vielleicht auch nur halb bewusst an, seine Mitinsassen aufzubauen. Er zwinkert und witzelt in den Gruppentherapiesitzungen und versucht, »irgendeinen Akuten zu einem dünnen Lachen zu verführen, der vielleicht seit seinem zwölften Lebensjahr Angst davor hatte, auch nur zu grinsen«, er überredet den Arzt, sie auf den Fluren Basketball spielen zu lassen, und hört Bromden zu, der so groß ist »wie ein verdammter Berg«, um zu verstehen, warum der Häuptling sich so klein fühlt. Als er eines Tages zwölf Insassen auf einen Tiefseeangel-Ausflug mit ein paar »Tanten« (aka Nutten) mitnimmt, belohnt er sie für ihren Mut mitzukommen – indem er ihnen beibringt, wie sehr ein bisschen Wagemut helfen kann, selbst wenn man ihn nur vorschützt. Was folgt, ist ein glorreicher, wahnsinnig anrührender Tag, an dem das gemeinsame Lachen den Männern Auftrieb gibt und sie daran erinnert, wer sie sein könnten.
McMurphy hätte keinen von ihnen auf seinem Boot mitnehmen müssen. Er hätte seine Tatkraft mit niemandem teilen müssen. Er hätte Candy nicht zur Party einladen und ganz sicher hätte er seine Flucht nicht aufschieben müssen, nur damit der junge, stotternde Billy Bibbit seine erste Nacht mit einer Frau verbringen konnte. Er zahlt einen schrecklichen Preis dafür. 94
Aber so ist es eben mit der Selbstlosigkeit. Es geht dabei nicht um Sie, sondern um die anderen. Und als was würden Sie lieber in Erinnerung bleiben: als jemand, der Freude und Lachen ins Leben der anderen bringt, oder als jemand, der sich ausschließlich darum kümmert, dass in seinem eigenen alles prima läuft? Bringen Sie nicht mehr nur Ihre eigenen Schäfchen ins Trockene. Lassen Sie auch die Schafe der anderen nicht im Regen stehen.
▶ Empathie, Mangel an
▶ Gier
99 Ehrgeiz, zu viel
Große Erwartungen
Charles Dickens
Manche haben zu wenig, andere zu viel davon. Nach dem chinesischen Philosophen Lao-Tse ist Ehrgeiz – im Idealfall – mit einer Ferse fest im Boden verankert, während er seine Finger in den Himmel reckt. Wenn jedoch keine unserer Fersen fest am Boden ruht und wir unsere angeborenen Talente und gesellschaftlichen Grenzen überdehnen, dann laufen wir Gefahr, alles, was wir erreicht haben, wieder zu
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