Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Esquivels beliebtem Roman Bittersüße Schokolade darf Tita ihre Jugendliebe Pedro nicht heiraten, weil es ihr als jüngster Tochter vorherbestimmt ist, Junggesellin zu bleiben und sich zeitlebens um ihre tyrannische Mutter zu kümmern. Und so lässt Tita die Liebe, die sie nicht für Pedro empfinden darf, in die prächtigen Speisen einfließen, die sie zubereitet. In die Torte für Pedros Hochzeit – denn er heiratet Titas Schwester Rosaura, um in ihrer Nähe bleiben zu können – rührt sie Martyrium und Bitterkeit. In das Baiser fließt ihre Sehnsucht. Und wie man es von den südamerikanischen magischen Realisten erwartet, verdauen die Hochzeitsgäste ihre Emotionen gemeinsam mit der Hochzeitstorte und werden allesamt von Trauer über ihre verlorenen Lieben überkommen. Und Titas Wachtel in einer Sauce aus Rosenblättern, aufgegossen mit ihrer sinnlichen Leidenschaft für Pedro, versetzt ihre jungfräuliche Schwester Gertrudis in eine solche sexuelle Erregung, dass sie aus ihren Kleidern steigt und nackt durch die Straßen läuft – um von einem ebenso lüsternen Soldaten auf dem Rücken seines Pferdes davongetragen zu werden, wie es sich gehört.
Natürlich werden Gefühle nicht immer so dramatisch durchlebt. Von den fünf Bundren-Geschwistern, die erleben müssen, wie ihre Mutter Addie stirbt, kann Darl seine Liebe zu seiner Mutter am besten in Worte fassen, Jewel sie am deutlichsten zeigen und Cash, der Älteste, ihnen am wenigsten Ausdruck verleihen. Er tut es, indem er ihr einen Sarg zimmert, direkt unter dem Fenster, hinter dem sie im Sterben liegt. Sein Bruder Jewel schaut ihm zu, wie er akribisch und 140 sorgfältig »die langen heißen traurigen Tage« in Bretter zersägt, und fasst diesen Akt tiefer und komplexer Zuneigung für ihn in Worte: »Schau her, was für einen schönen Sarg ich dir zimmere.«
Und der Sarg ist wirklich schön. Er hat die Form einer Standuhr, »wo jedes Verbindungsglied und jede Fuge abgeschrägt und mit dem Hobel geglättet wurde, glatt wie eine Trommel und sauber wie ein Nähkorb«, so dass sie Addie hineinlegen können, ohne ihr Kleid zu zerknittern. Der junge Mann lässt all seine Trauer und seinen Wunsch, ihr eine Freude zu machen, in diesen Sarg einfließen, und seine Unfähigkeit, seine Gefühle in Worte zu fassen, berührt den Leser tief. Versöhnen Sie sich mit der Tatsache, dass Sie oder Ihre Lieben ihren Gefühlen nicht auf die übliche, verbale Art Ausdruck verleihen, und verwenden – oder erlauben – Sie ein größeres Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten.
Geistige Stagnation
Die blaue Blume
Penelope Fitzgerald
So wie ein Hund braucht auch unser Gehirn regelmäßiges Training, um in Form zu bleiben. Wenn Ihres aufgrund mangelnder Forderung oder mangels anregender Gesellschaft in einen Zustand geistiger Stagnation verfallen ist, dann raten wir Ihnen, es mit einem mentalen Defibrillator wie der Blauen Blume von Penelope Fitzgerald wieder ins Leben zurückzuschocken.
Die blaue Blume erzählt die Geschichte des brillanten Dichters Friedrich von Hardenberg (der später als Novalis berühmt werden sollte) und seiner seltsamen Liebe zu Sophie von Kühn, einem zwölf Jahre alten Mädchen von eher mittelmäßigem Verstand. Dabei ist die Gesellschaft der von Hardenbergs durchweg äußerst unterhaltsam: Der spröde, trockene Humor von Fritz' exzentrischen Geschwistern lässt jede einzelne ihrer Bemerkungen auf den Seiten funkeln. Doch das Beste an der Blauen Blume sind die Einblicke in den scharfen Verstand von Penelope Fitzgerald selbst, erkennbar sowohl in dem, was sie uns zeigt – ihre unglaublich 141 scharfsinnigen Beobachtungen, woraufhin sie leicht wie eine Fliege wieder davonschwirrt –, als auch in dem, was sie nicht zeigt: So zeigt uns eine Figur allein mit dem Recken ihres Kinns ihr gebrochenes Herz. Bei ihren geographischen und räumlichen Sprüngen zwischen zwei Sätzen würden die meisten Autoren vor Panik in Ohnmacht fallen. So viel Bedeutendes bleibt ungesagt, und wir sind fleißig damit beschäftigt, die Lücken zu füllen.
Am Ende des Buches werden Ihre Synapsen auf der gleichen Frequenz surren wie die von Penelope Fitzgerald. Deshalb empfehlen wir zur Pflege der mentalen Fitness die Lektüre der Blauen Blume einmal pro Jahr.
▶ Karriereweg; den falschen eingeschlagen haben
▶ Langeweile
Gelüste; keine mehr verspüren
Der Leopard
Giuseppe Tomasi di Lampedusa
Appetitlosigkeit ist eine üble Angelegenheit, denn unsere Lust auf Essen ist
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