Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
ein wesentlicher Teil unserer Lust zu leben. Der vollständige Verlust des Appetits – und nicht nur auf Essen – als Ergebnis verschiedener physischer und emotionaler Leiden (wie Liebeskummer, Depression, ein gebrochenes Herz oder Trauer) führt unweigerlich in eine Richtung. Um Ihren Appetit, Ihre Gelüste, Ihre Lebenslust wieder zu wecken, empfehlen wir Ihnen deshalb einen der sinnlichsten Romane der Weltliteratur.
Der Leopard , Don Fabrizio Corbera, Fürst von Salina, fühlt 142 sich, als würde er seit vielen Jahren sterben. Doch selbst jetzt, mit dreiundsiebzig, ist er der fleischgewordene Appetit. Er hat noch immer genug Lebenskraft, um ins Bordell zu gehen, und freut sich jedes Mal wieder aufs Neue über seine Lieblingsnachspeise, Rumgelee in Form einer Burg mitsamt Zinnen und Bollwerk (die unter dem Ansturm seiner hungrigen, ebenso enthusiastischen Großfamilie schnell in Trümmer gelegt wird). Die Geschichte strotzt nur so von atemberaubenden Beschreibungen aller möglichen Begehrlichkeiten, von den täglichen Verfolgungsjagden eines Hasen in der »duftreichen, archaischen Welt des Landes«, bis hin zu der heftigen, überwältigenden Begierde von Tancredi und Angelica, die wochenlang im Palast Haschen spielen und dabei immer neue Zimmer entdecken, in denen sie sich nach einander verzehren können. Es »waren die Tage der immer gegenwärtigen weil immer beherrschten Sehnsucht«.
Man kann gar nicht anders, als sich auf den zügellosen Appetit des alten Patriarchen einzulassen und mit ihm in der Welt der Sinnesfreuden zu schwelgen. Dieses Buch wird Ihre Gelüste wieder zum Leben erwecken – nach Essen, nach Liebe, nach dem Leben auf dem Land und vor allem nach dem Leben selbst.
Gerechtigkeitsempfinden, enttäuschtes
Michael Kohlhaas
Heinrich von Kleist
Sie hatten alles richtig gemacht: Der Blinker war gesetzt, die Außenspiegel eingestellt, der Schulterblick tadellos, die Lenkradhaltung zehn vor zwölf. Dennoch hat der dreiste Busfahrer Recht bekommen, der ausgeschert ist, ohne zu blinken. Sie sind enttäuscht, verärgert und gewillt, vor die nächste Instanz zu ziehen, vor die übernächste, bis vors Oberlandesgericht, wenn nötig. Brrr. Ruhig, Brauner. Bevor Sie Energie und Lebenszeit in kleinliche Rechtsstreitigkeiten verschwenden, nehmen Sie eine Prise Michael Kohlhaas.
Heinrich von Kleists Michael Kohlhaas ist eine geniale, eine irrwitzige und labyrinthische Erzählung. Die Sprache erstrahlt wie ein Feuerwerk, Zusammenhänge, die zunächst logisch scheinen, sind es auf den zweiten Blick nicht, und niemand kann den Überblick über das Personal behalten. Nur eins ist zu jedem Zeitpunkt der Lektüre ganz eindeutig: Michael Kohlhaas ist im Recht. Er wurde betrogen, seine Klagen bei den zuständigen Gerichten wurden nur deswegen abgewiesen, weil sein Kontrahent mächtige Freunde hatte. Erst als jedes Rechtsmittel erschöpft ist, als seine Klagen und Bittschriften erfolglos bleiben, greift er als letztes Mittel zur Selbstjustiz und beginnt, seine Gegner zu ermorden und Städte niederzubrennen.
Michael Kohlhaas ist also im Recht. Genau wie Sie. Und jetzt aufgepasst – am Ende wird Recht gesprochen: Michael Kohlhaas bekommt die Pferde, um die er betrogen wurde, zurück, sein Kontrahent wird bestraft. Aber leider liegt inzwischen das halbe Kurfürstentum Sachsen in Schutt und Asche, Kohlhaas' Frau ist tot, er selbst ist zum Mörder geworden und wird als solcher verurteilt und hingerichtet. Wenn Sie nun allmählich daran zu zweifeln beginnen, ob es sich für Kohlhaas gelohnt hat, sein Leben und das seiner Frau und Kinder sowie ein ganzes Land zu zerstören, um 145 Recht zu bekommen, dann hat das Michael-Kohlhaas-Sedativum Sie beruhigt.
Wenn Sie aber einwenden, dass Heinrich von Kleist mit dieser Erzählung gegen Missstände im Rechtssystem seiner Zeit und feudale Privilegien protestiert hat und so wichtige Impulse für Reformen gab, dann hat das Michael-Kohlhaas-Stimulantium Sie aufgeputscht. Sie werden notfalls bis vors Oberlandesgericht ziehen, um gegen die ungerechten Privilegien von Busfahrern zu protestieren. Aber immerhin sind Sie dann nicht mehr getrieben von blinder, kleinlicher Wut, sondern von der Sehnsucht nach einer gerechteren Welt.
Geschmack, schlechter
Rot und Schwarz
Stendhal
Die Schönheitslinie
Alan Hollinghurst
Sollten Sie nicht geschmackssicher sein, schämen Sie sich nicht. Es liegt wahrscheinlich daran, dass Sie Ihr Leben lang etwas Praktisches, Wissenschaftliches oder
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