Die Romantherapie: 253 Bücher für ein besseres Leben (German Edition)
Morgen unterwegs sind, weil Sie keine Wohnung haben – aber was könnten Sie sich eigentlich noch mehr wünschen als eine herrlich saubere, trockene Zelle? Die Polizei hält Sie natürlich für einen prinzipientreuen Menschen von gutem Charakter, der sich einfach nur aus seiner Wohnung ausgeschlossen und zu Hause massenhaft Geld hat. Und dann gibt es ja auch noch Ihr Theaterstück, von dem Sie nur noch diesen sperrigen letzten Akt aufs Papier bringen müssen, und wenn dieses Stück erst mal veröffentlicht ist, brauchen Sie sich um Geld nie wieder Gedanken zu machen. Bis dahin werden Sie noch in den Zustand fröhlichen Wahnsinns geraten, den der Hunger mit sich bringt, und leer und frei sein von jeglichem Schmerz.
184 Leseleiden: Hype, angenervt sein von einem
Therapie: Erniedrigen Sie das Buch
Manchmal kriegt ein Buch ein derart großes Presseecho – vielleicht, weil es einen wichtigen Preis gewonnen hat oder der Autor ganz besonders jung oder gutaussehend ist –, dass Sie schon in dem Moment, in dem Sie dazu kommen, es zu lesen, gelangweilt davon sind. Sie haben so viele Besprechungen gelesen, dass Sie das Gefühl haben, das Buch schon zu kennen. Und Sie sind schon derart zugemüllt von der Meinung aller anderen, dass Sie keine Hoffnung mehr hegen, sich noch eine eigene bilden zu können.
Der einfachste Weg, einem solchen Buch noch eine Chance zu geben, ist, es im Gartenhäuschen, im Gewächshaus, in der Garage oder im Draußenklo aufzubewahren. Vielleicht packen Sie es auch einfach wieder ein, in ein Stück übriggebliebene Tapete, in Weihnachtsgeschenkpapier, eine braune Papiertüte oder Alufolie. Und wenn Sie dann eines Tages beim Tomatengießen eine kurze Pause einlegen, nehmen Sie es zur Hand und fangen an zu lesen. Die unpassende, unbuchmäßige Umgebung wird dem Buch eine demütige Ausstrahlung verleihen, ein schönes Gegengewicht zum Hype, und Sie ermutigen, sich ihm in einer großzügigeren, offeneren Haltung zu nähern.
185 Hypochondrie
Der geheime Garten
Frances Hodgson Burnett
Der geheime Garten ist ein höflicher Hinweis, dass viele Ihrer Leiden im Grunde nur Ihrer Einbildung entspringen.
Der junge Colin hat sein Zimmer noch nie verlassen. Er ist davon überzeugt, ein Geschwür auf dem Rücken zu haben, das eines Tages zu einem Buckel heranwachsen und ihm unweigerlich ein frühes Ableben bescheren wird. Natürlich hat er kein Geschwür – es sei denn, die Wirbel an seiner Wirbelsäule gehen als Geschwür durch. Seine Pfleger ermutigen ihn noch in dem Glauben, dass er verkrüppelt ist und bald sterben wird und dass frische Luft reines Gift für sein Blut ist. Mary, seine verwöhnte Cousine, deren Befehlston und Wutanfälle denen Colins in nichts nachstehen, will davon nichts wissen. Sie ist als Einzige mutig genug, ihm zu sagen, dass er kerngesund ist, und ihre Wut über seine Weigerung, das Zimmer zu verlassen, kann es locker mit seinem Zorn über sein vermeintliches Schicksal aufnehmen. Hitzkopf Mary ist wild entschlossen, ihren geheimen Garten mit Leben zu füllen, die Luftblase von Colins Angst platzen zu lassen und ihm die Wahrheit vor Augen zu führen.
Marys Schwärmerei von den Wundern in ihrem geheimen Garten lockt Colin aus seinem Krankenzimmer und hinaus in die Welt der Vögel und Blumen – eine Welt, zu der auch der sommersprossige, unwiderstehliche Dickon gehört, der vor Gesundheit nur so strotzt. Lassen Sie sich von diesem Buch aus dem Krankenbett locken und finden Sie Ihren eigenen geheimen Garten, vielleicht sogar Ihren eigenen Dickon, und baldige und vollständige Genesung.
▶ Erkältung
▶ Sterben 186
Identitätskrise
Stiller
Max Frisch
Die Verwandlung
Franz Kafka
Wer sind Sie, verehrte Leserin, verehrter Leser? Eine Mutter, ein Vater, ein berufstätiger Mensch, ein Student, ein Kind? Sind Sie immer Sie selbst, oder haben Sie zwei Ichs – eines, das Sie nur bestimmten Leuten zeigen, und eines, das alle anderen zu sehen kriegen? Oder haben Sie eher das Gefühl, dass Ihr »wahres Ich« das Tageslicht überhaupt noch nie erblickt hat?
Die Literatur ist zum Bersten voll mit Leuten in Identitätskrisen – sei die Krise nun bedingt durch Gedächtnisverlust, durch einen psychischen Zusammenbruch oder durch andere, kaum erklärbare Prozesse. Der Erzähler in Stiller , einem Roman des Schweizer Nachkriegsautors Max Frisch, weist ständig die Behauptung von sich, er sei der verschollene Bildhauer Anatol Stiller. Und tatsächlich heißt er laut seinem Pass James (oder
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