Die Rose der Highlands
Gespräch unter vier Augen dringend nötig. Lili bekam
keine Antwort. Auch nicht, als sie noch einmal heftiger gegen die Tür pochte
und laut den Namen ihrer Tochter rief.
Merkwürdig, dachte sie, sehr merkwürdig, doch sie trat ihrem aufkeimenden
Unwohlsein mit dem Gedanken entgegen, dass Rose dabei war, sich
gesundzuschlafen.
Deswegen lieà sie es dabei bewenden und ging langsam die Treppen
hinunter. Sie brauchte jetzt unbedingt einen Tee, denn in ihrem Kopf hämmerte
ein leichter Schmerz. Für ihre Verhältnisse hatte sie zu viel Hot Pint
genossen.
In der Küche war Fiona damit beschäftigt, das Frühstück
zuzubereiten. Lili wandte sich schaudernd ab, als sie die Reste vom Haggis
erblickte. Auch ihr Magen war ein wenig irritiert.
»Ich hätte gern nur einen Tee«, bat sie die Köchin.
»Das hat Miss Isobel auch schon gesagt«, erwiderte Fiona lachend.
»Ist sie denn schon auf?«
Die Köchin nickte eifrig. »Sie kam förmlich in die Küche geschwebt.
Ich glaube, ihr Bräutigam tut ihr gut!«
»Ja, so langsam denke ich das auch«, erwiderte Lili.
»Sie waren skeptisch, nicht wahr«, hakte die Köchin nach.
»Das kann man so sagen. Aber ich glaube, es liegt daran, dass ich mir
ein Leben auf Scatwell Castle ohne Isobel kaum vorstellen kann, und nun wird
sie bald in Fortrose leben. Ich werde mich wohl an den Lord, pardon, an Keith,
ich habe ihm ja zu später Stunde angeboten, mich beim Vornamen zu nennen,
gewöhnen. Er tanzt jedenfalls ausgezeichnet.«
»Schade um Miss Rose«, bemerkte Fiona. »Aber von meinem Essen kommt
das garantiert nicht. Sonst hätten ja wohl noch andere Unwohlsein empfunden«,
fügte sie mit Nachdruck hinzu.
Lili lachte. »Um Gottes willen, nein, beim Haggis haben Sie sich
selbst übertroffen. Das Lob von GroÃmutter Mhairie wäre Ihnen sicher und â¦Â«
»Lili, schnell, komm, Diebe!«, unterbrach Isobels schriller Schrei
ihre Lobrede auf Fionas Kochkünste. Erschrocken fuhr sie herum. Im Türrahmen
stand Isobel in einem weiÃen Nachthemd und totenbleich wie ein Gespenst.
»Komm schnell!« Sie griff nach Lilis Hand und zog sie in den Salon.
Vor der Anrichte blieb sie stehen und deutete fassungslos auf das Quadrat an
der Wand, an der die goldenen und roten Streifen der Tapete kräftiger
leuchteten als ringsherum.
»Das ist doch â¦Â« Lili schlug sich die Hand vor den Mund, um nicht
laut aufzuschreien.
»Es muss heute Nacht jemand gestohlen haben«, sagte Isobel mit
bebender Stimme.
Lili sah entsetzt von der Stelle, an der am Abend vorher noch das
Gemälde von Rose gehangen hatte, zu Isobel.
»Aber wer stiehlt denn so ein Bild?«
»Vielleicht haben die Einbrecher geglaubt, es sei wertvoll«,
sinnierte Lili und konnte es kaum fassen, doch dann wurde ihr Gesicht noch
bleicher. »Rose!«, schrie sie auf. »Ich muss nach Rose sehen. Nicht dass sie
ihr etwas angetan haben.«
Lili stob aus dem Zimmer und raste die Treppen hinauf. Als sie auÃer
Atem vor Roses Tür angekommen war, klopfte sie nicht, sondern drückte mit einem
lauten Aufschrei die Klinke hinunter. Ihr Herz pochte ihr bis zum Halse, aber
was war das? Die Tür war abgeschlossen. Lili war auÃer sich.
»Rose, meine Rose!« rief sie angsterfüllt, doch sie erhielt keine
Antwort. »Wir müssen sie aufbrechen«, schrie sie und lieà sich mit voller Kraft
dagegenfallen, doch die Türen in diesem Haus waren aus gutem Holz und stabil
gebaut.
»Geh und hol den Pferdeknecht«, befahl sie, aber Isobel, die
aschfahl im Gesicht war, sagte: »Der ist doch über die Feiertage bei seiner
Familie!«
»Eine Axt. Bring mir eine Axt. Stell dir vor, die Einbrecher haben
ihr etwas angetan. Sie liegt gefesselt und geknebelt in ihrem Zimmer. Oder
Schlimmeres â¦Â«
»Aber dann wäre doch nicht von innen abgeschlossen«, widersprach
Isobel ihr vorsichtig.
»Und wenn diese Verbrecher von auÃen abgeschlossen und den Schlüssel
mitgenommen haben, damit sie keine Hilfe holen kann? Vielleicht hat sie sie
überrascht und ⦠oh Gott ⦠bring mir die Axt!«
Isobel rannte wie gejagt los und kam wenig später auÃer Atem mit dem
Werkzeug zurück. Lili hieb daraufhin wie eine Wahnsinnige in das edle Holz. Vom
Lärm angelockt eilten auch Fiona und Bonnie herbei. Alle blickten erschüttert
auf Lili, die wie von Sinnen die
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