Die Rose der Highlands
»Ich hoffe nur, dass du noch für die
Medizin brennst, wenn du mit der St. Georges fertig bist. Nicht dass â¦Â« Sie
unterbrach sich und wollte schnell das Thema wechseln.
Ãber Roses trauriges Gesicht huschte ein Lächeln. »Was wolltest du
sagen, Mom? Nicht dass ein Mann kommt, der mich heiratet, in seine Höhle
schleppt und mich meine Ziele vergessen lässt?«
»Du hast mich durchschaut«, gab Lili lächelnd zu.
»Keine Sorge, Mom, das habe ich mir alles genau überlegt. Ich bin
nicht gegen das Heiraten, aber stell dir vor, ich heirate einen Arzt. Dann
könnte ich mit ihm zusammenleben und arbeiten. Das wäre doch schön, oder?«
Lili lachte. »Ein schöner Plan, wirklich, nur, wer weiÃ, ob du so
einen Mann triffst. Vielleicht musst du mit einem Rinderzüchter vorliebnehmen.«
»Wenn mir bei seinem Anblick die Knie zittern und mein Herz mir aus
der Brust springt, würde ich mir das überlegen.«
Lili riss ihre Tochter stürmisch erneut an sich und gab ihr einen
Kuss auf die Wange. »Ich habe dich so lieb, mein Kleines.«
»Ach, Mom«, flüsterte Rose. »Aus alledem wird ohnehin nichts, denn
wer soll mein Studium bezahlen? Isobel wird einen Teufel tun ⦠oder â¦Â« Sie
stockte. »Wir verkaufen das Geschäftshaus doch.«
Lili lieà ihre Tochter los, setzte sich aufrecht hin und überlegte.
Rose hatte recht. Es gab keinen Grund zur Hoffnung, dass Isobel das Studium
ihrer Stiefschwester finanzieren würde. Aber wenn Rose jetzt darauf bestand,
das Haus in der Church Street zu verkaufen, dann gab es Krieg. Lili war davon
überzeugt, dass Isobel dem Plan niemals freiwillig zustimmen würde. Und ein
halbes Haus war unverkäuflich.
»Sie wird auch das verhindern«, hörte sie ihre Tochter da bereits
sagen.
Erneut verfiel Lili in grüblerisches Schweigen. Plötzlich kam ihr
ein verwegener Gedanke. GroÃmutter Mhairie hatte ihr einst zu Hogmanay 1914
ein kostbares Geschenk gemacht. Lili hatte es nach dem Umzug nach Scatwell
Castle weit weggelegt. Es war so wunderschön anzuschauen und sehr wertvoll,
denn es war kein gewöhnliches Schmuckstück, sondern die Collane des Ordens von
der Distel, die höchste schottische Auszeichnung.
»Warte, mein Schatz, ich denke, ich habe etwas für dich. Warte hier
auf mich!«
Lili verlieà den Salon, lief ins Schlafzimmer, griff in die obere
Schublade ihres Nachtschrankes und holte eine Schachtel hervor. Sie
erschauderte. Niemals würde sie vergessen, wie GroÃmutter Mhairie ihr dieses
Stück zu treuen Händen übergeben hatte.
Mit aller Macht kam der Gedanke an die alte Geschichte in ihr hoch,
und sie wusste, dass nun der Augenblick gekommen war, Rose in die Wahrheit
einzuweihen. Sie konnte ihr den jahrhundertealten Zankapfel zwischen den Munroys
und den Makenzies nicht übergeben, als sei es das Selbstverständlichste von der
Welt.
Nun würde sie das umsetzen, was sie sich bereits auf ihrem
Spaziergang ausgemalt hatte. Sie würde Rose alles erzählen!
17
R ose starrte
ungläubig auf die wertvolle Ordenskette, die Lili ihr soeben mit feierlicher
Miene überreicht hatte.
»Du kannst sie haben. Wenn du willst, verkaufe ich sie für dich. Ich
denke, es wird zumindest erst einmal für das nächste Schuljahr reichen. Und für
das Studium haben wir dann immer noch Little Scatwell.«
Während Lili über ihr altes Haus sprach, kämpfte sie gegen die
Tränen an. Sie hatte sich nach Dustens Tod geschworen, es niemals zu verkaufen,
aber hatte sie denn eine Wahl? Roses Ausbildung ging in jedem Fall vor. Das
wäre auch in Dustens Sinn gewesen. Er hatte zu den wenigen Männern gehört, die
es schätzten, wenn Frauen einen Beruf ausübten.
Lili hatte erwartet, dass Rose Luftsprünge vollführte, doch die
starrte immer noch wie gebannt auf die Ordenskette mit einem Muster aus Rauten
und Disteln, an der ein emaillierter Anhänger in Form des Andreaskreuzes hing.
»Aber, Mom, das ist der Orden der Distel. Wem gehört er?«
Lili räusperte sich verlegen. »Ich habe ihn von GroÃmutter Mhairie
bekommen.«
Rose sah ihre Mutter zweifelnd an. »GroÃmutter Mhairie? Aber das ist
ein hoher Orden, der in der St. Giles am dreiÃigsten November nur an zwölf
Männer vergeben wird, die damit Ritter werden und danach mit âºSirâ¹ angesprochen
werden müssen.«
Wider Willen
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