Die Rose der Highlands
handgreiflich
wurde?
»Ihre Frau will doch nicht allen Ernstes, dass Sie sich an
Weihnachten wie ein prügelnder Trunkenbold aufführen?«, fragte Lili empört
nach, während sie ihm unauffällig ihre Hand entzog. Sie fühlte sich nicht in
der Lage, mit einem Mann Händchen zu halten, auch wenn es sich noch so schön
anfühlte.
»Oh doch. Sie tut alles, damit mir die Hand ausrutscht wie Ihnen, aber
ich habe sie durchschaut. Sie hat einen Geliebten, aber sie ahnt nicht, dass
ich es weiÃ. Ich möchte es ihr nicht so leicht machen und ihr verraten, dass
ich ihren perfiden Plan durchschaut habe. Sie möchte nämlich liebend gern die
Scheidung einreichen, nachdem sie beweisen kann, dass ihr Mann sie schlägt.«
»Das ist ja entsetzlich«, entfuhr es Lili.
»Entsetzlich wäre es, wenn ich mich nicht im Griff hätte. Nein, es
hat rein finanzielle Gründe. Und wenn unser Sohn Martainn nicht wäre, ich hätte
das Geheimnis um den Liebhaber längst gelüftet. Wenn der Junge nächstes Jahr
nach Edinburgh zum Studieren geht, werde ich spätestens reinen Tisch machen.«
Er hielt inne und blickte Lili intensiv an.
»Ich glaube, ich werde Sie jetzt nach Scatwell Castle fahren. Sie
bibbern ja vor Kälte.«
»Ach was! Das kleine Stück kann ich doch zu Fuà gehen«, erklärte
Lili ausweichend. Sie mochte den hochgewachsenen Anwalt wirklich, besonders in
diesem Augenblick, wo sie ihn zum ersten Mal als empfindsamen Mann wahrnahm,
nicht nur als brillanten Anwalt. Doch genau dieses Gefühl von Nähe, das
plötzlich zwischen ihnen entstanden war, irritierte sie.
»Kommt gar nicht in Frage.« Er ergriff ihre Hand und brachte sie,
ohne dass sie weiter protestieren konnte, zur Wagentür.
»Steigen Sie ein. Mir zuliebe. Es ist an diesem Weihnachtsabend
einfach erwärmend, einem aufrechten Menschen wie Ihnen zu begegnen.« Ohne Lilis
Antwort abzuwarten, öffnete er die Hintertüren seines Wagens und lieà die
beiden Hunde auf den Rücksitz springen.
»Aber sie sind schmutzig«, widersprach Lili schwach.
»Das macht nichts. Ich habe zu Hause auch einen Hund!«
Aus Versehen berührten sich ihre Hände erneut. Und es war wie ein
kleiner Blitzschlag. Lili zog ihre erschrocken zurück.
Lili konnte gar nichts dagegen tun, aber ihr Herzschlag
beschleunigte sich ungewollt. Liam Brodies feinfühlige Worte und Berührungen
gingen ihr näher, als sie zugeben wollte. Es war schon verwirrend genug, dass
sie zum ersten Mal seit Dustens Tod wieder einen Mann mit den Augen einer Frau
ansah. Bisher war dieser Mann ausschlieÃlich ihr Anwalt gewesen. Höflich, gut
aussehend, klug und immer ein wenig distanziert. Sie staunte, wie attraktiv er
auf den zweiten Blick war. Und sie entsann sich der frotzelnden Worte ihrer Tochter,
wonach Liam Brodie angeblich unglücklich in sie verliebt sei.
Lili war erleichtert, als sich sein Wagen endlich in Bewegung
setzte. Mit Mister Brodie auf dem einsamen Feldweg so allein und eng
beieinander zu sitzen, während der Wind um das Auto fegte, war in ihrer augenblicklichen
Stimmung einfach zu gefährlich. Sie sehnte sich tief in ihrem Herzen danach,
endlich einmal wieder in den Arm genommen und geliebt zu werden.
Lili, du hast zu viel getrunken, ermahnte sie sich streng. AuÃerdem
meinst du Dusten und nicht diesen Mann!
Da bog Liam Brodie auch schon in die Einfahrt von Scatwell Castle.
»Ich hoffe, ich habe nicht zu viel geplaudert. Nicht dass Sie mich
für einen Schwätzer und einen Denunzianten halten, der hinter dem Rücken seiner
Frau schlecht über sie redet und zu Hause kuscht. Ich habe noch mit keinem Menschen
über mein entwürdigendes Eheleben gesprochen«, bemerkte er entschuldigend, als
er vor der Haustür hielt.
»Ich betrachte es als besondere Ehre, dass Sie mir davon erzählt
haben. Es steht Ihnen ganz gut, wenn Sie einmal nicht der Mann sind, der auf
alles einen Rat weiÃ. Nun rate ich Ihnen: Bleiben Sie ruhig, Liam, und lassen
Sie sich weiterhin nicht provozieren. Und Sie werden der einzige Mensch
bleiben, der von meiner Ohrfeige erfährt!«, erwiderte sie rasch. »Doch keine
Sorge, ich werde sofort alles vergessen, was wir beide miteinander geredet
haben.«
Er musterte sie durchdringend. »Ach, Lili, das wäre aber schade und
gar nicht in meinem Sinne. Alles sollen Sie nicht vergessen. Aber ich werde es
zur Sicherheit
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