Die Rose der Highlands
Soldat«, antwortete er, »und auch wenn ich mit ihm fühle, wird mich das nicht daran hindern, meine Pflicht zu erfüllen.«
»Nicht einmal, wenn Ihr einen alten Mann töten müsst?«
»Der Krieg findet nicht nur zwischen Soldaten statt«, erwiderte er. »Man kann die Welt nicht einfach teilen – hier das Schlachtfeld und dort Ruhe und Frieden.«
»Das weiß ich nur zu gut«, versetzte Leitis bitter. »Aber Ihr scheint stolz auf das zu sein, was Ihr tut, Colonel. Habt Ihr nichts Gutes oder Edles in Euch? Befriedigt es Euch zu töten?«
Anstatt ihr zu antworten, zwang er sich zu einem Lächeln, verbeugte sich und verließ den Raum.
Ihre Worte verfolgten ihn auf seinem Weg von Gilmuir zum Fort. Er nickte, wenn er gegrüßt wurde, und überflog den Kasernenhof mit Kommandantenblick, als er die Stufen zu seiner Unterkunft hinaufstieg.
Nach dem Eintreten, zog er seinen Rock aus und hängte ihn an einen Haken. Aus steifem Stoff und dick gefüttert, war er viel zu warm für den Sommer.
Alec ging zum Fenster und schaute auf den See hinaus. Sein Quartier war das einzige mit einem großen Fenster. Nicht unbedingt der Sicherheit dienlich bei einem Fort, doch in diesem Augenblick begrüßte Alec Sedgewicks Allüren. Sie ermöglichten ihm, Gilmuir zu sehen, und der Anblick der alten Burg verband ihn auf eine seltsame Weise mit Leitis.
Sie sah ihn, wie die meisten Menschen es taten und wie er gesehen werden wollte: Als einen Mann mit Blick auf seine Aufgabe, dessen Ruf weitere Nachforschungen erübrigte. Seine List war überzeugend. Vielleicht
zu
überzeugend.
Habt Ihr nichts Gutes oder Edles in Euch?
Ihre Frage ging ihm nicht aus dem Kopf.
Er hatte in den vergangenen Monaten entdeckt, dass die Greuel des Krieges sich nicht auf die Schlachten beschränkten. Sie hörten nicht auf, wenn danach Frauen weinten und Männer durch das Blutbad wateten, um Kameraden zu suchen, die vielleicht noch zu retten wären. Die wahren Greuel des Krieges bestanden in dem, was er der Seele eines Mannes antat. In Inverness hatte Alec die Gleichgültigkeit in den Augen der Männer gesehen, die gelernt hatten, die Verwundeten, die Kranken und die Gefangenen ohne eine Spur von Mitleid zu töten.
Er hatte in Inverness getan, was er konnte, und das müsste er auch hier tun. Wie könnte er die MacRaes im Stich lassen, nachdem er es bei Cumberlands Gefangenen nicht gekonnt hatte?
Aber es würde nicht einfach werden. Er ging zu dem Tisch, der an der Wand stand, und nahm sich die Karte der Umgebung von Gilmuir vor. Im Schein der Kerzen zeichnete er alle Clachans ein, die er heute besucht hatte.
Er würde die MacRaes retten. Nicht, um ein besserer oder edlerer Mensch zu werden, sondern, um den Menschen zu helfen, die Hilfe so verzweifelt nötig hatten. Er konnte nicht untätig zusehen, wie alte Frauen und Kinder verhungerten.
Wieder einmal würde er zum Verräter werden.
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13
L eitis wurde von Donnergrollen geweckt. Nein, es war kein Donner, erkannte sie verschlafen, es war das Rumpeln von Wagenrädern.
Sie stand auf, zog ihr Oberkleid über ihr Unterkleid, das sie anbehalten hatte, band ihre Haare zusammen und schlüpfte in ihre Schuhe.
Wässriges Sonnenlicht erhellte die Clanhalle. Der Gang zum Innenhof lag im Schatten, und als sie in den helleren Hof hinaustrat, starrte sie verblüfft auf das Bild, das sich ihr bot.
Drei mit gackernden Hühnern in Holzkäfigen und Kisten, Steigen und Fässern, mit Seilen gesichert, hoch beladene Lastkarren rollten lärmend über die Landbrücke.
Eine Kolonne Soldaten folgte nach, angeführt vom Colonel, dessen roter Rock sich grell gegen das noch blasse Blau des Frühmorgenhimmels abhob. Wieder eine Patrouille, um den glücklosen Schotten aufs Neue die Gegenwart der Engländer vor Augen zu führen? Oder hatte er sie angelogen und machte wieder Jagd auf Hamish?
Als hätte er ihre Gedanken gehört, drehte er den Kopf in ihre Richtung. Die Entfernung war zu groß, als dass sie ihre Mienen hätten gegenseitig erkennen können, doch sie vermutete, dass er wieder den unbewegten Gesichtsausdruck hatte, den sie schon mehrmals bei ihm gesehen hatte, in seinen Augen eine Wachsamkeit stand, die zweifellos auch in
ihren
Augen zu lesen war.
Was für ein Mensch war das, der ein Dorf vor dem Verhungern rettete und drohte, einen alten Mann hinrichten zu lassen? Der ihr – wenn auch im Schlaf – beinahe Gewalt angetan hätte und sich an den Verlust ihres Webstuhls erinnerte? Ein
geheimnisvoller Mann,
der sie
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