Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
Verbindung mit unsterblichen Wesen aufnehmen konnte, war… gotteslästerlich!
Selbstverständlich glaubte der Abt an Engel. Man hätte ihn nicht als gläubigen Vertreter Promenthas’ bezeichnen können, wenn das anders gewesen wäre. Aber nur den erhabensten und heiligsten Männern und Frauen war die Gunst vorbehalten, mit den leuchtenden Wesen zu sprechen. Aber daß Unsterbliche in einer Flasche lebten, das grenzte ja schon an Blasphemie.
Man mußte bei den Seeleuten Zugeständnisse machen, rief er sich in Erinnerung. Der Schiffskapitän war schließlich nicht darüber erfreut gewesen, die Priester nach Sardish Jardan zu befördern. Nur der Fürsprache des Herzogs und einer Bezahlung, die fast dreimal so hoch ausfiel wie der Betrag, den andere Passagiere zu entrichten hatten, war es zu verdanken, daß der Kapitän schließlich die Missionare an Bord nahm.
Der Abt hielt es für gegeben, daß der Mann eines Tages die Rechnung zu begleichen hatte, jede grausame Geschichte weitererzählt zu haben, die er gehört hatte.
Einige Erzählungen des Kapitäns, die er bei den verschiedensten Gelegenheiten zum besten gegeben hatte, hatten den Abt viele Stunden in der Nacht wach gehalten: Geschichten von Sklavenhändlern, von fremden Göttern, die befahlen, alle zu töten, die nicht ihren Glauben teilten, von menschenfressenden Kannibalen und nicht zuletzt von wilden Nomaden, die in unwirtlichen Wüsten lebten. Der Abt hatte einiges in Büchern gelesen, die von Abenteurern stammten, die die Länder Sardish Jardans durchstreift hatten. Mit jedem weiteren Tag ihrer Reise, der sie näher an ihr Ziel brachte, wuchsen seine Sorgen und Zweifel.
Zwar war es wohl richtig, sich selbst zu ermahnen, sein Vertrauen in Promenthas zu setzen, weil sie in seinem Namen unterwegs waren, um das Licht seines Antlitzes über den Ungläubigen aufgehen zu lassen. Nachdem aber der Abt Abend für Abend dem Kapitän zugehört hatte, kam ihm in den Sinn, daß das Licht, das von einigen Schwertklingen leuchtete, vielleicht doch nicht so zu verachten gewesen wäre.
Ein Schrei riß den Abt aus seinen Gedanken und brachte ihn zurück auf die Planken des Schiffs. Nachdem die Delphine gesichtet worden waren, hatten sich die Seeleute an der Reling versammelt und goldene Ringe in die See geworfen, während sie den Delphinen die Bitte zuriefen, ihnen eine sichere Reise zu gewähren. Aufgewühlt durch diesen Anblick, wäre der junge Mönch beinahe über Bord gefallen, als er den Delphinen zusah, wie sie die Ringe mit ihren langen Schnauzen auffingen. Nur die gedankenschnelle Reaktion seines Freundes hatte ihn davor bewahrt, ins Meer zu stürzen.
Als er wieder mit beiden Beinen auf Deck stand, wischte sich Bruder John die salzigen Spritzer aus dem Bart und lachte über den Hexer Mathew, dessen Gesicht so weiß war, daß der Abt für einen Augenblick fürchtete, der junge Magier könne in Ohnmacht fallen. Erst als sein Freund ihm auf die Schulter klopfte, brachte Mathew schließlich ein schwaches Lächeln zustande. Mit leiser und bebender Stimme schlug er sogar vor, unter Deck zu gehen und eine Partie Schach zu spielen.
Bruder John willigte sofort ein, worauf beide das Deck verließen. Der lange schwarze, goldbestickte Umhang des Magiers und die schlichte graue Kutte des Mönchs wehten in dem auffrischenden Wind um ihre Waden. Der Abt sah ihnen nach und runzelte die Stirn. Der junge Hexer war durch diesen banalen Zwischenfall wirklich außer sich geraten. Er hatte schnell und verantwortungsvoll gehandelt, als er den Strick ergriff, der um Johns Taille geschlungen war, und den Mönch über die Reling zurückzog. In Wirklichkeit war aber Bruder John niemals in Gefahr gewesen, denn die See war so ruhig, daß selbst, wenn er hineingefallen wäre, dieses Bad ihm nichts hätte anhaben können.
Dem Abt kam der Verdacht, daß Mathew überempfindlich war. Und dieses Zeichen von Schwäche ließ nichts Gutes erwarten.
Mit dem Entschluß, über diese Angelegenheit mit dem Erzmagus zu sprechen, ging der Abt unter Deck. Als er an der Unterkunft vorbeikam, in der die niederen Mitglieder beider Orden ihre Kojen hatten, sah er die jungen Männer über ein Schachbrett gebeugt. Die geschnitzten Figuren waren an der Unterseite mit Stiften versehen worden, so daß sie bei Schlagseite nicht ins Rutschen kommen konnten. Das lange rotbraune Haar fiel über die Schultern des jungen Hexers und reichte fast bis zu den Ellbogen. Mathew war offensichtlich so sehr in das Spiel
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