Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
seine beiden Cousins Majiid und Jaafar an sein Herz drücken möge, deren unermeßliche Liebe für Zeid nur noch von der Liebe, die sie füreinander hegen, übertroffen wird.«
Nachdem Raja wieder eine betont unbeteiligte Miene aufgesetzt hatte, hob er den Kopf und schaute Pukah scharf an: »Ist das wirklich der Wunsch des Kalifen?«
»Es ist sein sehnlichster Herzenswunsch.«
»Sei versichert, daß ich diese Botschaft meinem Gebieter weiterleiten werde.«
»Und zwar unverzüglich?« drängte ihn Pukah zur Eile.
»Und zwar unverzüglich«, stimmte ihm Raja grimmig zu. Und da er immer zu seinem Wort stand, verschwand er auf der Stelle.
»Oh, vermutlich konnte er seinen Tatendrang nicht länger bändigen.« Pukah lehnte sich bequem in die federweiche Wolke zurück. »Soviel zu Sond«, sagte er selig zu sich selbst. »Soll er doch versuchen, den Helden zu spielen! Soll er doch seine kleinen Intrigen spinnen und versuchen, Hazrat Akhran davon zu überzeugen, daß er es war, der den Frieden zwischen den Stämmen bewahrt hat. Pukah, du hast ihn übertrumpft! Pukah, du ganz allein wirst die drei Stämme miteinander verbrüdern! Pukah, die Geschichtsschreiber werden deinen Namen rühmen!«
Der junge Dschinn schob sich eine Feige in den Mund, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und räkelte sich genüßlich auf der Wolke.
Während er so durch den Himmel trieb, stellte er sich in Gedanken schon den Palast vor, den ihm der dankbare Akhran zum Geschenk machen würde, und bevölkerte die weitläufigen Gemächer seines Luftschlosses mit grazilen Schönheiten, die dort für ihn sangen und tanzten und ihm honigsüße Liebesschwüre ins Ohr raunten.
Doch wenn Pukah in diesem Augenblick von seiner Wolke herabgeschaut hätte, wäre ihm beim Anblick dessen, was sich unten zutrug, die Feige im Hals steckengeblieben.
Dort sprach Sond eindringlich auf den Kalifen ein und wies auf die Pferde, die in der Nähe standen.
»Das bedeutet Krieg!« rief Khardan hitzig.
»Ruhig, Sidi, nicht so laut.«
Obwohl die dunklen Augen vor Zorn sprühten, unterdrückte der Kalif seinen Wutausbruch, so wie Sond es ihm geheißen hatte. Die beiden schritten in der Morgendämmerung das äußere Lager ab und blickten noch einmal auf die Pferde, die so friedlich nahe des plätschernden Wassers grasten.
»Und wann soll der Überfall stattfinden?«
»In einer Woche, Sidi. In der ersten Nacht, die nicht vom Licht des Monds erhellt wird.«
»Und du behauptest, daß meine… meine… Frau hinter all dem steckt?«
»Aber ja, Sidi. Ach, es bereitet mir großen Kummer, dir solche Nachrichten unterbreiten zu müssen…«
»Diese Frau ist eine Hexe!« Khardan ballte die Faust. »Das ist das Ende, Sond! Nicht einmal Akhran kann von mir verlangen, daß ich so eine Beleidigung auf mir sitzen lasse! Mir meine Pferde zu stehlen!«
Hätte ihm Sond berichtet, daß die Hrana planten, seine Söhne, die Früchte seiner Lenden zu stehlen, wäre sein Zorn wohl kaum größer gewesen. Höchstwahrscheinlich hätte er eine solche Mitteilung sogar sehr viel gelassener entgegengenommen. Solange es Frauen und lange Wüstennächte gab, gab es auch noch Kinder. Doch seine heißgeliebten Pferde!
Der Legende zufolge stammten die edlen Tiere der Akar in gerader Linie vom Streitroß ihres Gottes ab. Bisweilen verglichen die Nomaden ihre Pferde mit ihrer Wüstenheimat: Das geschmeidige, seidig glänzende Fell der Tiere war so schwarz wie die Wüstennacht oder so silberweiß wie die Sterne, die am Nachthimmel funkelten. Der dichte, lange Schweif und die Mähne strichen über ihre Körper wie der Wüstenwind über die Dünen.
Doch erst in der Schlacht entfalteten sie ihre ganze Herrlichkeit. Beim Geruch von Blut und bei dem Klirren von Stahl spitzten sie wachsam die Ohren, ihre Augen sprühten vor Angriffslust, und es brauchte schon einen ganzen Spahi, um sein Roß davon abzuhalten, mitten ins dichteste Kampfgetümmel hineinzupreschen. Zahllose Legenden rankten sich um Pferde, die, selbst nachdem ihr Herr schon in der Schlacht gefallen war, noch auf den Feind losstürmten.
Jeder Mann des Stammes besaß seine eigene kleine Zucht, deren Stammbaum er voller Stolz durch die Generationen zurückverfolgen konnte. In kargen Zeiten bekamen zuerst die Pferde Futter, während sich die Familie mit dem, was übrigblieb, begnügen mußte. Die Pferde wurden in den Oasen immer als erste zum Wasser geführt. Und eine Frau, deren Zauber ein unruhiges Streitroß besänftigen konnte, wurde mehr
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