Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
hörte er Schritte hinter sich und sah aus dem Augenwinkel Stahl aufblitzen.
»Diese Fantasia ist noch nicht vorbei, Akar!« drang eine Stimme an sein Ohr.
Khardan schnellte herum und verpaßte seinem Widersacher mit dem Ellbogen einen harten Schlag in den Magen. Zu seiner Zufriedenheit wurde dem Angreifer die Luft aus dem Körper gepreßt. Eine gut gezielte Rechte zum Kinn überzeugte Sayah davon, daß der Spaß für ihn tatsächlich vorbei war.
Khardan half dem wankenden jungen Mann zu seinem Zelt, machte sich dann keine weiteren Umstände und warf ihn einfach hinein. Dann eilte er zurück, um sich der Toten anzunehmen. Er plante, die Leichen alle zusammen in einem eilig ausgehobenen, großen Grab zu beerdigen. Zu seiner Erleichterung entdeckte er jedoch, daß es auf beiden Seiten zwar Schwerverwundete, aber keine Toten gegeben hatte. Khardan sah, daß die Verletzten in die sichere Obhut ihrer Frauen gebracht wurden. Er hörte Gelächter und laute Stimmen, die aus dem Zelt seines Vaters drangen. Zuletzt warf Khardan noch einen Blick zu Zohras Unterkunft hinüber, dort war es aber dunkel und still.
Der Kalif musterte den Abdruck ihrer Zähne auf seiner Hand, schüttelte den Kopf und lächelte. Müde lenkte er seine Schritte hinüber zum eigenen Zelt und fiel erschöpft ins Bett.
Er schlief schon fast, als die Stimme Pukahs schwach an sein Ohr drang.
»Es war alles mein Werk, Herr! Alles mein Werk!«
12
Die zweiundsiebzig Stunden, die sie zur Gastfreundschaft verpflichtet waren, schleppten sich so langsam dahin wie die mühseligen Schritte eines lahmen, blinden Bettlers. Nach dem Sturm lastete eine mörderische Hitze auf dem Tel. Die gleißende Sonne schien sie daran erinnern zu wollen, daß die gnadenlose Sommerhitze nicht mehr lange auf sich warten ließ. Die Stämme ihrerseits schwitzten in der Glut des immer noch schwelenden Streites. Sie hatten noch immer den Geschmack von Blut auf der Zunge, durften jedoch weder durch die geringste Geste, den flüchtigsten Blick, den Hauch eines Wortes, oder durch die kleinste Tat zeigen, daß sie nicht gerade die besten Freunde, die unzertrennlichsten Brüder waren.
Diese unnatürliche Freundschaft legte sich so auf die Gemüter, daß die meisten Nomaden es unterließen, sich im Lager sehen zu lassen. Sie zogen es vor, sich in ihren Zelten zu verkriechen und finstere Pläne für die Zeit nach Scheich Zeids Besuch zu schmieden. Glücklicherweise war die Hitze des Tages eine annehmbare Entschuldigung für ihr Verhalten. Die Scheichs allerdings hatten es schwer, eine angemessene Erklärung dafür zu finden, warum es im Lager nach Einbruch der Dunkelheit so still und düster war. Gewöhnlich fanden sich in diesen Stunden die Mitglieder der Stämme zusammen.
Sehr zur Erleichterung ihres Vaters und ihres Gemahls, ließ Zohra während dieser drei Tage nichts von sich hören oder sehen. Daran war nichts Ungewöhnliches, denn bei den Stämmen war es Brauch, ihre Frauen so weit wie möglich zu verstecken, wenn ein Fremder zu Besuch kam. Es gab nur einen kleinen Zwischenfall: Ein Kind, das an Zohras Zelt vorübertollte, stolperte im Sand über eine kupferne Kohlenpfanne. Es hob den Fund auf und entdeckte verwundert, daß die Pfanne stark verbeult war. Es sah so aus, als hätte jemand mit einem Stein daraufgeschlagen.
Die Mahlzeiten waren für alle Beteiligten die größte Herausforderung. Ohnehin schon eine äußerst aufwendige Angelegenheit – zu Ehren des Gastes wurde jeden Abend ein Schaf geschlachtet –, ließ es sich bei Tisch nicht umgehen, daß Majiid und Jaafar miteinander ebenso höflich umgingen wie mit ihrem Gast. Das Gesicht schmerzte Majiid von dem ständigen Lächeln, das er sich abringen mußte. Und Jaafar war so nervös, daß ihm die Mahlzeiten, die er zu sich nahm, wie ein Stein im Magen lagen und ihn die halbe Nacht mit Bauchkrämpfen wachhielten.
Unterdessen schwelgten sie in geröstetem Hammelfleisch, Fatta. einem Karotten- und Eiergericht, Berchuks, kleinen Kugeln aus gesüßtem Reis, und Mandelkuchen, die ihnen von Dienern auf den Speiseteppichen serviert worden waren. Keiner sprach während des Essens, das man allein dem Genuß der Speisen widmete und der Verdauung, die durch nichts gestört werden sollte. Doch nach der Mahlzeit, wenn man süßen Tee oder bitteren, schwarzen Kaffee trank, an Datteln und Feigen knabberte und die Wasserpfeife kreisen ließ, plauderten die Männer angeregt miteinander. Jeder hielt dann seine Zunge im Zaum und die
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