Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
Ohren gespitzt, wie das Sprichwort sagt, in der Hoffnung, sich selbst keine Blöße zu geben und doch etwas zu erfahren, das einem selbst zum Vorteil gereichte.
Die Unterhaltung war naturgemäß Sache des Gastes, von dem man erwartete, daß er seinem Gastgeber als Gegenleistung für die gewährte Gastfreundschaft das Neueste aus aller Welt mitteilte. Zeid fühlte sich in solchen Gesprächen bewandert, und die sich ungewöhnlich schnell verändernde politische Lage in Tara-kan war ein sehr geeignetes Gesprächsthema. Die erste Neuigkeit, von der er zu berichten wußte, versetzte seinen Gastgebern allerdings einen gehörigen Schreck.
»Der Emir in Kich…«, begann Zeid.
»Emir?« Khardan schien überrascht. »Seit wann gibt es in Kich einen Emir?«
»Habt ihr das noch nicht gehört, meine Freunde?« Zeid genoß es, wichtige Nachrichten als erster zu überbringen. »Kich ist an den Herrscher von Tara-kan gefallen!«
»Und was geschah mit dem Sultan?«
»Er wurde mitsamt seinem Gefolge vom Emir hingerichtet«, gab Zeid düster zur Antwort. »Angeblich, weil er sich weigerte, Quar zu dienen. Ich bezweifle allerdings, daß der Sultan überhaupt eine Wahl hatte. Er wäre wahrscheinlich vollkommen einverstanden gewesen, Quar zu folgen. Doch der Imam wollte den gemeinen Bewohnern ein Schauspiel bieten, an das sie sich lange erinnern würden. So wurden der Sultan, seine Frauen, seine Konkubinen, Kinder und Eunuchen auf die Spitze der Klippen über der Stadt gezerrt und hinabgestoßen. Ihre Leichen überließ man den Geiern und Schakalen zum Fraß. Die Glücklicheren fielen in der Schlacht«, fuhr er fort und kaute eine Feige. »Die weniger Glücklichen wurden gerettet, und was von ihnen übrigblieb, den Folterknechten übergeben. Einige, so sagte man, lebten noch tagelang. Wie ihr euch vorstellen könnt, traten die Einwohner der Stadt beinahe einhellig zum neuen Glauben über. Die Reichen spendeten Gelder und bauten neue Tempel, die Quar geweiht wurden.«
»Ich hoffe, das hat keine Auswirkungen auf unseren Handel mit Kich«, erklärte Majiid stirnrunzelnd und entließ aus seinem bärtigen Mund kleine Rauchkringel.
»Warum sollte es«, antwortete Khardan gelassen. Er räkelte sich auf den Kissen und trank seinen Kaffee. »Ja, es könnte sich sogar als vorteilhaft für uns erweisen. Ich vermute, dieser Emir ist geradezu versessen darauf, die Besitzungen des Herrschers bis nach Bas auszudehnen. Zweifelsohne braucht er dazu Pferde für seine Truppen.«
»Aber wird er sie auch von einem Kafir, einem Ungläubigen, kaufen?« fragte Jaafar mit einschmeichelnder Stimme. Es freute ihn, endlich Wasser auf das Feuer des Feindes gießen zu können und gleichzeitig den Schein aufrichtiger Freundschaft zu wahren. »Möglicherweise wird er auch dich von den Klippen stoßen, Majiid.« Und unausgesprochen schwang in seinen Worten mit: Wie gern würde ich es mit eigenen Augen sehen.
Majiid, der die unausgesprochenen Worte ebenso deutlich wahrnahm wie die gesprochenen, sträubten sich die Nackenhaare. Seine Brauen zogen sich bedrohlich über der Hakennase zusammen, so daß Khardan eiligst eingriff.
»Was habt ihr? Der Emir ist schließlich Soldat. Und Soldaten sind im großen und ganzen Männer der Tat. Sie sind es nicht gewohnt, sich von Priestern an der Nase herumführen zu lassen. Wenn der Emir wirklich Pferde braucht, wird er sie von uns kaufen. Und wir haben dann die stille Genugtuung, daß die Pferde Hazrat Akhrans die Anhänger Quars auf ihrem Rücken und ins Verderben tragen werden.«
»Du sagst es, der Emir ist ein erfahrener Mann«, warf Zeid vorsichtig ein, höflich darauf bedacht, seinen Gastgebern nicht zu widersprechen. Andererseits war er genauso versessen darauf wie Jaafar, Worte zu führen, die wie Messer zwischen den Rippen eines Feindes fuhren. »Und außerdem ist er ein ausgezeichneter Befehlshaber, was man schon daran ablesen kann, daß er die Truppen des Sultans in einer einzigen Schlacht besiegte. Doch darf man den Imam nicht unterschätzen. Es heißt, der Priester sei ein Mann von überragender Ausstrahlung, großer Schönheit und Klugheit, und zudem ein Fanatiker, der sich mit Leib und Seele dem Dienst an Quar verschrieben hat. Man sagt, er habe nicht nur auf den Emir großen Einfluß, sondern – und das ist von noch größerer Bedeutung – auch auf dessen erste Frau. Ihr Name ist Yamina, und sie soll eine sehr mächtige Hexe sein.«
»Ich hoffe, du willst damit nicht andeuten, daß meinem Sohn von der
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