Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
würden vom Emir erwarten, daß er mich hinrichtet!«
»Eine Könnerin auf dem Gebiet des Lügens, wie du es bist, sollte keine Schwierigkeiten haben, mit einer Geschichte aufzuwarten, die ihre Herzen zum Schmelzen bringt«, bemerkte Feisal. »Der Emir wollte dich eigentlich vom Turm des Todes stürzen lassen, aber dann unterlag er deinen Reizen. Er bat dich, ihn zu heiraten, aber du bist deinem Nomadenstolz treu geblieben und hast es abgelehnt. Qannadi ließ dich daraufhin bei Wasser und Brot in den Kerker werfen. Er schlug dich. Du bliebst immer noch treu. Als er schließlich begriff, daß er dich niemals haben würde, warf er dich auf die Straße…«
Meryems Lippen schlossen sich, die blauen Augen glitzerten. »Peitschenstriemen und Schürfwunden«, sagte sie.
»Die Wachen müssen mich am Mittag hinauswerfen, wenn es eine Menschenmenge gibt…«
»Alles, was du willst«, unterbrach der Imam, dem es plötzlich dringend geworden war, das Mädchen loszuwerden, um seinen Gedanken nachzugehen. Mit einem Händeklatschen rief er den Diener wieder herbei. »Kehre ins Serail zurück. Treffe deine Vorbereitungen. Ich werde heute abend mit dem Emir sprechen und ihn von der Notwendigkeit überzeugen, unsere Spionin unter den Nomaden wieder einzusetzen.« Er wedelte mit der Hand. »Steh auf. Dein Dank ist unnötig. Du dienst Quar, wie du sagst. Und – Meryem…«
Das Mädchen erhob sich gerade.
»Ja, Imam?«
»Über alles, was du hinsichtlich Khardan in Erfahrung bringst, gleich was es ist, wirst du mir Mitteilung machen.«
»Jawohl, Imam«, sagte sie geschmeidig.
Viel zu geschmeidig. Feisal beugte sich in dem Saksaul- Sessel vor. »Wisse eins, mein Kind. Sollte ich seinen Namen auf der Zunge eines anderen vernehmen, bevor ich ihn auf deiner gehört habe, werde ich dir die Zunge aus dem Mund reißen lassen. Hast du mich verstanden?«
»Jawohl, Imam.« Alle Geschmeidigkeit verschwand.
»Also gut. Du kannst gehen. Quars Segen sei mit dir.«
Als das Mädchen und der Diener gegangen waren, sank Feisal in seinen Sessel zurück. Sein Ellenbogen ruhte auf der harten, geschnitzten Oberfläche des Sesselarms, und der Imam gestattete es seinem Kopf, sich in seine Hände zu senken, als sei das Gewicht seiner Überlegungen zu groß für seinen Hals. Die Nomaden… Khardan… der Emir… Achmed… seine Gedanken wirbelten umher wie Steine im Polierrad eines Juweliers. Nur einer davon war rauh, ungeschliffen, beunruhigend.
Der Verrückte…
4
Die Gefängniswächter saßen zusammengekauert im mageren Schatten, den das gedrungene, eckige Wachhaus bot, den Rücken gegen die kühle Wand gepreßt. Es war fast Mittag, und der Schatten wurde schnell kleiner. Schon bald würde die Nachmittagshitze sie ins Wachhaus selbst treiben. Sie vermieden es so lange wie möglich. Das Lehmziegelgebäude zu betreten war so, als würde man in einen Ofen kommen. Aber so heftig die Hitze in dem Bau auch war, hatte er wenigstens den Vorzug, Schutz vor der sengenden Sonne zu bieten. Als die letzten Schatten verschwanden, erhoben sich die Wachen. Einer der jüngeren Wärter stieß einen älteren Mann an, seinen Vorgesetzten.
»Soldaten.«
Der Kommandant blinzelte ins Sonnenlicht hinein, in die Richtung der Suks, stets dankbar für jede Abwechslung der Monotonie seiner Wachzeit. Im Basar drängten mehrere Soldaten des Emirs in ihren bunten, prunkvollen Uniformen ihre Pferde durch die Menschenmengen. Die Menschen stoben vor ihnen auseinander, Mütter rissen ihre kleinen Kinder hoch, die Händler entfernten hastig die wertvollsten Waren ihrer Auslagen und schoben ihre Töchter hinter die verhangenen Abtrennungen. Dort, wo die Menschenmenge zu dicht gedrängt war und die Pferde nicht hindurchkamen, bahnten sich die Soldaten mit ihren Reitgerten wirkungsvoll einen Weg, ohne auf die Flüche und wütenden Schreie zu achten, die immer wieder verstummten, sobald die Menge den Mann erblickte, der hinter den Soldaten ritt.
»Der Emir«, brummte der Kommandant.
»Ich glaube, er kommt hierher«, meinte der junge Posten.
»Pah!« Der ältere Wärter spuckte auf den Boden, doch sein Blick blieb mißtrauisch auf den Geleitzug geheftet, der sich durch die Basare bewegte. »Ich denke, du hast recht«, sagte er nach kurzer Pause schließlich schleppend. Er wirbelte herum und brüllte Befehle, die die anderen schläfrigen Wachen auf die Beine springen ließen, um hastig dem Ruf des Kommandanten zu folgen und herbeizustolpern.
»Was ist denn mit Hamd los?«
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