Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
Gesellschaft. Wegen Diebstahls brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Ich möchte lieber nicht daran denken, was dem Mann passieren wird, der versuchen sollte, ohne unsere Erlaubnis diese Pferde zu reiten.«
»Ja, Effendi«, sagte der Junge wehmütig und drehte liebevoll die Mähne zwischen seinen Fingern.
Grinsend packte Khardan den Jungen an der Hüfte und warf ihn auf den Pferderücken. Der Junge jauchzte vor Freude und Erstaunen und konnte kaum die Zügel festhalten, die der Nomade ihm in die bebende Hand drückte.
»Du darfst ihn reiten, mein prächtiger Spahi«, sagte der Kalif und überreichte dem Jungen auch noch die Zügel der anderen drei Tiere. Er sagte etwas ins Ohr seines Pferds, worauf das Tier es zuließ, sich von dem stolzen Jungen davonführen zu lassen. Die anderen drei Pferde folgten dem Leithengst ohne Zögern.
»Sond«, murmelte Khardan vor sich hin, »sorge dafür, daß alles seine Ordnung mit ihnen hat.«
»Jawohl, Sidi. Soll ich Usti Wache stehen lassen?«
»Bis auf weiteres. Vielleicht brauchen wir ihn später.«
»Jawohl, Sidi.«
Der Kalif vernahm einen jaulenden Protest: »Ich weigere mich, in einem Pferdestall zurückgelassen zu werden!«
Nun, da für die Pferde gesorgt war, sah Khardan sich verwirrt um. Seine größte Sorge hatte dem Stadttor gegolten. Nachdem sie dieses Hindernis mit einer Leichtigkeit bewältigt hatten, die ihm den Atem geraubt hatte, empfand der Kalif wieder die gleiche Unruhe, so als hätte er ein kostbares Geschenk erhalten, von dem er insgeheim doch wußte, daß ein großer Nachteil damit verbunden war.
Ein Ruf Audas rettete Mathew davor, von zwei Eseltreibern umgeritten zu werden, und erinnerte Khardan an die Tatsache, daß sie mitten auf der Hauptstraße von Kich standen und Gefahr liefen, von der Menschenmenge niedergetrampelt oder voneinander getrennt zu werden. Obwohl es Zohras erster Besuch in der Stadt war, blickte sie mit hochmütiger Verachtung um sich. Khardan wußte, daß sie so Verunsicherung und Ehrfurcht überspielte. Mathew war ruhig aber sehr bleich. Die grünen Augen über seinem Schleier waren weitaufgerissen, und er warf immer wieder kurze Blicke auf etwas, das sich in Khardans Rücken befand. Als der Kalif den Blick zurückwandte, sah er den Sklavenmarkt und begriff.
»Was nun, Bruder?« fragte Auda.
Ja, was nun? Khardan sah sich weiterhin hilflos um. Der Emir hatte die Nomaden einst als naive Kinder bezeichnet. Wäre Qannadi jetzt hiergewesen, um Khardans Verwirrtheit mitanzusehen, hätte der Emir sich als kluger Menschenkenner bestätigt sehen können. Vor Monaten war Khardan als Prinz der Wüste in den Palast gekommen und hatte eine Audienz beim Emir gefordert und erhalten. Er war aber in eine Falle gelaufen. Man hatte ihn absichtlich eingelassen, absichtlich angegriffen, absichtlich fliehen lassen.
Der Kalif fluchte verbittert, hieß sich selbst einen Narren. Ob der Emir ihn jetzt noch empfangen würde? Einen zerlumpten Prinzen, dessen Volk gefangen und todgeweiht war? Qannadi war soeben im Triumph aus der Schlacht zurückgekehrt. Da würde es Bittsteller und Beglückwünscher zu Hunderten geben, die wahrscheinlich schon seit Wochen darauf warteten ihn zu sprechen und vielleicht noch weitere Wochen würden warten müssen, bis der Emir die Muße hatte, ihnen seine Aufmerksamkeit zu gewähren. Möglicherweise war Qannadi ja noch nicht einmal in die Stadt zurückgekehrt.
Ein Fanfarenstoß ertönte wie zur Antwort auf Khardans Gedanken. Das Klappern vieler Hufe warnte ihn noch rechtzeitig vor der Gefahr, als auch schon die Reiterei des Emirs durch das Stadttor jagte. Mit peitschenden Fahnen, die hinter ihnen wehten, stellten die Uniformen der Soldaten lebhafte Farbkleckse unter dem freudlosen Braun und Weiß, dem Grau und dem Schwarz dar, wie sie die Leute auf den Straßen trugen. Khardan und seine Gefährten sahen zu, wie die Soldaten achtlos durch die Menge ritten.
Die Männer gingen rein geschäftsmäßig vor. Es war ihre Pflicht, den Weg freizumachen. Wie eine Axt im Fleisch hackten sie sich durch die Massen, drückten mit ihren Pferden die Leute auf der einen Seite gegen die Mauern der Kasbah, gegen die ersten Stände des Basars und des Sklavenmarkts auf der anderen Seite. Die nachrückenden Fußsoldaten wurden schnell von ihren Offizieren dazu abgestellt, die Menge zurückzudrängen, um zu beiden Seiten der Straße ihre Stellung einzunehmen und mit vorgestreckten Speeren eine lebendige Barrikade zu bilden. Wer versuchte, die
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