Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
bist, Nomade. Wenn du das tust, wird die Welt, wie ich glaube, erzittern.«
Er verstummte, aß und trank. Auch Khardan schwieg, dachte nach. »Wo kommen deine Leute her?« fragte er gereizt. »Woher wußte Kiber, daß wir in Kich sind?«
»Die Schwarze Zauberin hat ihn für den Fall geschickt, daß ich Hilfe brauche. Sie hat unsere Leute in alle anderen Städte gesandt, durch die ich auf meiner Suche nach Feisal hätte kommen können.«
»Und wie hast du Verbindung zu Kiber hergestellt?« setzte Khardan beharrlich nach. »Ich war doch die ganze Zeit bei dir! Ich habe niemanden gesehen. Du hast mit niemandem gesprochen…«
»Ich habe ihn durch meine Gebete gerufen, Nomade. Unser Gott hat mir meinen Diener zugeführt, als ich darum bat. Mach dir nichts daraus, das kannst du nicht verstehen.« Auda beendete seine Mahlzeit und streckte sich behaglich auf dem Boden aus, die Hände hinter dem Kopf verschränkt. »Du solltest etwas schlafen, Bruder. Die Nacht wird lang.«
Khardan legte sich auf den Boden der schäbigen Hütte. Die Hitze war betäubend. Vielleicht nicht heißer als in der Wüste, aber er fühlte sich eingesperrt und konnte nicht atmen. Ruhelos wälzte und wand er sich.
Zohra. Er fürchtete um sie, vertraute ihr aber auch. Deshalb hatte er sie gehen lassen. Er wußte um ihren Mut, niemand besser als er. Sie hatte ihm mehr als einmal die Stirn geboten und obsiegt. Er erkannte ihre Klugheit an, obwohl sie – hier mußte er wehmütig lächeln – niemals weise werden würde. Immer war sie anmaßend mit ihrer spitzen Zunge und dem aufbrausenden Temperament, und so handelte und sprach sie, ohne nachzudenken. Er hoffte nur, daß dieser Fehler sie nicht über den Rand des Abgrunds führen würde. Aber Mathew war bei ihr. Der junge Hexer hat genug Weisheit für beide, für uns drei sogar, wenn wir schon beim Thema sind, gestand Khardan sich ein. Mathew würde sie führen, und sie würden – so Akhran es wollte – sicher sein.
Sicher… und was dann?
Mit trostlosem Seufzen schloß Khardan die Augen.
Eine lange Nacht.
Es könnte eine sehr lange Nacht werden. Eine, die eine Ewigkeit andauerte.
6
Da es nicht annähernd genügend Zellen gab, um sie darin alle unterzubringen, hatte man die Frauen und Kinder der Nomaden auf dem Mittelhof des Zindan zusammengetrieben. Bei ihrer Gefangennahme vor einigen Monaten hatte man ihnen noch Häuser in der Stadt zugewiesen und ihnen erlaubt, in den Souks von Kich so gut sie konnten ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Gegenzug hatte der Imam darauf gehofft, daß der Einblick ins Stadtleben – Schulen, Nahrung, Unterkunft, Sicherheit – sie von ihrem unseßhaften Leben abbringen und zu Quar bekehren würde. Er hatte gehofft, daß ihre Ehemänner aus der Wüste kommen würden, um sich zu ihren Familien zu gesellen, und einige wenige hatten das auch getan. Doch als Monat um Monat verstrichen war und die meisten es nicht taten, als man Feisal meldete, daß die Nomadenfrauen ihre Kinder immer noch von der Madrasah fernhielten und nie am Tempel des Quar vorbeigingen, ohne vorher auf die gegenüberliegende Straßenseite zu wechseln, begann der Imam die Geduld zu verlieren.
Feisal war verzweifelt. Er war der mächtigste Priester der ganzen bekannten Welt. Er war nach Khandar eingeladen worden, um die Führung der Kirche zu übernehmen. Er, Feisal, würde es sein, der die Truppen des Kaisers über das Meer führen würde, um den Ungläubigen des fernen Landes Tirish Aranth das Wissen um den einen, wahren Gott zu bringen. Und doch gab es hier eine Handvoll zerlumpter Anhänger eines geschlagenen Gotts, die ihn ganz offen herausforderten, ihn ganz offen vor der ganzen Welt lächerlich machten. Er, Feisal, war gnädig gewesen. Er hatte ihnen Gelegenheit gegeben, umzukehren. Jetzt würde er keine Gnade mehr walten lassen.
Das Wort hatte sofort die Runde gemacht, und die Nomaden, überwiegend Frauen und Kinder, wurden zusammengetrieben und in den Zindan verbracht. Die Männer kamen in Zellen, den Frauen überließ man das freie Gelände, wo sie ihre Betten aufschlagen, ihre Mahlzeiten kochen und sich um ihre Kinder kümmern konnten. Wenn die Soldaten des Emirs nicht anwesend waren, wurden die Männer heimlich geschlagen. Die Frauen und jungen Mädchen beobachtete man mit Haß und Begierde. Die Soldatenpriester standen, die nackten Schwerter in der Hand, um sie herum. Die gespenstische Gestalt der Todin strich oft am Zindan vorbei, und ihre hohlen Augen waren wachsam und
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