Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
sie erschreckte. »Das ist abscheulich! Ich kann einfach nicht glauben, daß Menschen einander so etwas antun können! Wir werden sie hier herausholen, Zohra!«
Ja! Bei Akhran, das würde sie! Zohra hob den Kopf, vertrieb blinzelnd die Tränen aus ihren Augen und suchte die Menge nach der einen Frau ab, mit der sie sprechen wollte. Da stand sie, am Ende der Reihe der schweigenden Frauen, wartend. Badia – Khardans Mutter.
Zohra trat auf die Frau zu, die der Prinzessin nicht ganz bis ans Kinn reichte. Wie sie Badia anschaute, sah Zohra die Weisheit in den dunklen Augen, deren Schönheit von den Altersfalten in ihren Winkeln noch betont wurde. In diesen Augen schaute sie die Tapferkeit, die auch durch die Adern ihres Sohnes strömte. Sie schaute die Liebe zu ihrem Volk, die Khardan hierhergeführt hatte, um für sie sein Leben zu geben. Gedemütigt sank Zohra vor Badia auf die Knie. Sie streckte die Hände vor, ergriff die ihrer Schwiegermutter und drückte sie an ihre geneigte Stirn.
»Mutter, verzeih mir!« flüsterte sie.
Wenn ein Leopard gekommen wäre, um sein Haupt in ihrem Schoß zu betten, wäre Badia nicht überraschter gewesen. Verwundert und mit tausend Fragen im Kopf, reagierte Badia aus ihrem eigenen mitfühlenden Wesen heraus wie auch aus jener geheimen Bewunderung, die sie immer für diese starke Frau ihres Sohnes empfunden hatte. Sie erinnerte sich, daß die Mutter des Mädchens tot war, zu früh gestorben war, bevor sie ihrer Tochter die Weisheit einer Frau hatte vermitteln können. Badia kniete nieder, legte die Arme um Zohra und preßte das verschleierte Haupt ihrer Schwiegertochter an die Brust.
»Ich verstehe«, sagte sie sanft. »Tochter, wir haben einander nichts zu vergeben.«
»Mein Sohn lebt!« Die Freude und die Dankbarkeit in Badias Augen waren ein Geschenk, das Zohra mit Freunden und voller Stolz ihrer Schwiegermutter überreichte.
»Er lebt nicht nur, er lebt sogar voller Ehre«, sagte Zohra, offensichtlich etwas warmherziger als sie vorgehabt hatte, denn sie erblickte ein belustigtes Flackern in den dunklen Augen Badias.
Die beiden und Mathew sprachen ruhig während des Nachmittags miteinander, umgeben von den anderen Frauen. Jene, die in vorderster Reihe standen, gaben die Neuigkeiten an jene in der hinteren weiter, die nichts verstehen konnten. Die Wachen musterten diese Schar ohne Interesse und Beunruhigung. Sollten sie doch reden.
»Khardan wurde zum Propheten Akhrans ernannt, denn er hat die Dschinnen aus ihrem Gefängnis zurückgeholt, wo sie von Quar festgehalten wurden.« Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit, war für diese eilige Gelegenheit aber immerhin doch wahr genug.
»Und Zohra ist ein Prophet in Akhrans«, fügte Mathew hinzu, »denn sie kann Wasser aus Sand machen.«
»Kannst du das wirklich, Tochter?« fragte Badia ehrfürchtig. Ein Murmeln durchzog die Schar der Frauen, und viele, die nicht so leicht verzeihen konnten wie Badia, musterten Zohra mit Argwohn.
»Das kann ich«, erwiderte Zohra demütig, ohne den Stolz der ihre Worte sonst begleitete. »Und ich kann euch das gleiche beibringen. Genau wie Mat-hew«, sie griff hinter sich nach der Hand des Jünglings und hielt sie fest, »es mir beigebracht hat.«
Das schien Badia mit Zweifel zu erfüllen, und so beeilte sie sich, das Thema zu wechseln. »Mein Sohn – wo ist er? Ist er bei seinem Vater?«
»Khardan ist in der Stadt…«
Ein erregtes Rascheln, ein leises Seufzen der Hoffnung unter den Frauen.
»Er ist gekommen, um uns zu retten!« sprach Badia in aller Namen.
»Nein«, sagte Zohra mit fester Stimme, »er kann uns nicht retten. Unsere Männer können uns nicht retten. Wir müssen uns schon selbst retten.« Langsam, vorsichtig erklärte sie ihnen die Lage, stellte ihnen das Dilemma der Nomaden dar, die es nicht wagten, die Stadt anzugreifen, um ihre Familien zu befreien, weil sie doch wußten, daß man ihre Familien bereits niedermachen würde, noch bevor sie die Stadtmauern erreicht hätten.
»Aber der Imam hat doch verfügt, daß wir am Morgen sterben sollen!«
»Also müssen wir diesen Ort bis zum Morgen verlassen haben«, meinte Zohra.
»Aber wie?« Hilflos ließ Badia den Blick zu den hohen Mauern hinüberschweifen. »Schlägst du uns etwa vor, uns Flügel wachsen zu lassen und davonzufliegen?«
»Vielleicht kannst du ja auch den Sand in Wasser verwandeln, damit wir hinausschwimmen können«, schlug eine von Zeids Frauen höhnisch vor.
Mathews Hand schloß sich um Zohras, doch
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