Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
Fugen ausmachen, keinen in das Gestein eingelassenen Ring, mit dem man sie aufziehen konnte, und er wollte gerade enttäuscht darauf hinweisen, daß ihr Weg blockiert war, als Auda die Hände zu beiden Seiten des goldenen Widderkopfs anlegte und drückte.
Ein Klicken, und schon erzitterte die steinerne Tür leicht, dann begann sie sich um eine unsichtbare Mittelachse zu drehen. Auda trat zurück und wartete in offensichtlicher Ungeduld darauf, daß der Stein sich richtig öffnete. Hinter der Tür konnte Khardan eine Stimme vernehmen, und er wähnte, daß sie entdeckt worden seien. Doch schon bald erkannte er an dem Tonfall und den wenigen Worten, die er aufschnappen konnte, daß es der Imam war, der anscheinend vor dem Auftritt vor der Menschenmenge zu seinen Priestern sprach.
Niemand hatte sie bemerkt.
»Woher wußtest du, wie du das bedienen mußt?« flüsterte Khardan.
»Was, die Türöffnung?« Auda musterte ihn, das ehrfürchtige Staunen des Nomaden schien ihn zu erheitern. »Ich habe schon Hunderte von komplizierteren Mechanismen bedient. Im Palast zu Khandar muß man schon ein mechanisches Genie sein, um auch nur aus dem eigenen Schlafzimmer ins Bad zu gelangen.«
»Was ist mit der Tür auf dem Rückweg?« fragte Khardan beunruhigt und sah wieder hinter sich, obwohl sie schon lange aus der Sichtweite verschwunden war. »Wird die Tür verschlossen sein? Vielleicht müssen wir schnell hindurch!«
»Als wir durch diese Tür eingetreten sind, gab es dort keine derartige Vorrichtung. Ich bezweifle, daß du bei deiner Rückkehr eine vorfinden wirst.« Kühl betonte der Paladin die Einzahl. »Diese Tür ist sehr viel neuer, sie ist später erbaut worden als der Tunnel selbst, der wahrscheinlich so alt sein dürfte wie der Palast. Wer weiß, wohin er früher führte. Wahrscheinlich zu irgendeinem geheimen Spielplatz des Sultans, würde ich denken.«
Das Steintor hatte seine Umdrehung fast abgeschlossen.
»Aber warum dann hier einen Verschluß anbringen und keinen im Palast?« wandte Khardan ein.
Auda machte eine unwirsche Geste. »Der Eingang wird zweifellos von den Posten des Emirs bewacht, Nomade. Außer in dieser einen Nacht, da man sie brauchte, um die Menge in Schach zu halten. Oder…« Seine dünnen Lippen spannten sich zu einem grimmigen Lächeln. »… vielleicht hat Qannadi den Wachen ja auch Anweisung gegeben, sich woanders aufzuhalten.«
Verbringe doch den kalten Winter hier drin, kleine Maus, sagte der Löwe und zeigte auf seinen Rachen. Dort drin ist es warm und sicher, sehr sicher…
Khardan erschauderte und schob sich an Auda vorbei durch den Spalt im Stein, der gerade groß genug war, daß ein Mann seitlich hindurchschlüpfen konnte.
Er gelangte in einen von Gemurmel und Geflüster erfüllten Raum, wo es nach Duftölen roch und nach Weihrauch und Kerzenwachs. Der Raum wurde erhellt vom Licht vieler, vieler Kerzen, die irgendwo auf dem Altar in der Mitte des Raums flackerten. Khardan bekam den Altar nur ganz kurz zu sehen, denn die Soldatenpriester versperrten seinen Blick. Sie hatten dem Kalifen den Rücken zugekehrt und starrten mit steifer Inbrunst den Imam an, der in ihrer Mitte stand. Niemand hatte das Öffnen der Steintür vernommen, was nicht weiter überraschend war, wenn man die widerhallende Stimme bedachte, die sie in ihren Bann geschlagen hatte. Doch sie mußten die Stoß kühler Luft in ihrem Rücken spüren, und plötzlich begriff Khardan, daß die Tür verschlossen werden mußte. Hastig sah er sich in dem Altarraum um und versuchte einen Orientierungspunkt auszumachen, damit er die Tür wiederfinden würde, die sich im geschlossenen Zustand wieder nahtlos in die Wand einfügen würde. Doch zu seinem Erstaunen ließ Auda sie offenstehen. Der Paladin nahm den Nomaden am Arm und drängte Khardan weit vom Eingang fort. Sie bewegten sich lautlos, den Rücken an die Wand gepreßt, bis sie fast die Hälfte des großen Raums durchmessen hatten.
Natürlich, dachte Khardan bei sich, spielt es keine Rolle, ob sie entdecken, daß jemand ihr Heiligtum betreten hat, oder nicht. Sie werden es in wenigen Augenblicken ohnehin feststellen, und so ist unser Rückweg gesichert.
»… Suls Wahrheit, geschaut in Quar«, sagte der Imam in diesem Augenblick. »Die Welt im Dienst an dem einen, wahren Gott vereint. Eine Welt, die von den Schwankungen und der Einmischung der Unsterblichen befreit ist. Eine Welt, wo alle Unterschiede ausgeräumt sind, wo alle gleich denken und gleich
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