Die Rose von Angelâme (German Edition)
Männerhände griffen nach ihm, und er wurde energisch die Stufen hinauf und in seine Kammer hineingezogen, wo er vollkommen betrunken auf sein Bett sank. Trotzdem spürte er, dass jemand ihm die wollenen Strümpfe auszog, die ihm die Wirtin geliehen hatte, und eine Decke über ihm ausbreitete. Dann umgab ihn nur noch Finsternis.
Pierre erwachte mitten in der Nacht, weil er erbärmlich fror. Am ganzen Körper zitternd tastete er nach einer Möglichkeit, sich wärmer zuzudecken, stellte aber überrascht fest, dass er bereits unter zwei dicken Wolldecken lag, und ließ sich ermattet wieder zurücksinken. Er hatte Durst und hustete. Aber am schlimmsten war, dass sich sein Körper heiß wie glühende Kohle anfühlte, die Haut aber kalt und schweißnass war. Um sich ein wenig zu wärmen, wankte er schließlich die hölzerne Treppe hinunter in den Gastraum, wo er sich, in seine Decken gehüllt, neben dem verglimmenden Kohlefeuer niederließ.
Die Wirtsleute entdeckten ihn dort, als sie in der Frühe aufstanden, und die Wirtin das Feuer neu entfachen wollte. Die beiden brachten ihn wieder in seine Kammer, und Isabelle stellte eine eiserne Kohlepfanne in die Nähe seines Lagers, deren Glut sie sorgsam hütete. Immer wieder flößte sie dem Kranken ein wenig warmes Wasser ein, welches sie mit fiebersenkenden Kräutern versetzt hatte, und wusch ihm die nasse Stirn mit einem feuchten Lappen, um sie ein wenig zu kühlen.
Es dauerte fast vier Tage, ehe Pierre sich wieder mit matter Stimme bei den Lebenden zurückmeldete, und Isabelle sank dankbar und erschöpft über seine Brust. Aber der junge Mann, dem ihr ganzes Herz gehörte, war schon wieder eingeschlafen. Zärtlich strich sie ihm die verklebten Haarsträhnen aus dem Gesicht, und betrachtete ihn liebevoll, wie sie es seit Tagen getan hatte. Leise schlich sie aus der Kammer, um sich ihren übrigen Aufgaben zu widmen, die nicht liegen bleiben durften.
Am Abend schaute sie wieder nach ihrem Patienten, der ruhig atmend dalag und sie nicht gehört zu haben schien. Isabelle legte ihm ihre kühle Hand auf die Stirn, um festzustellen, ob sie noch so heiß war wie die Tage zuvor. Erfreut stellte sie fest, dass das Fieber etwas zurückgegangen war, und als Pierre die glasigen Augen aufschlug, schob sie ihre Hand unter seinen Kopf, um ihn ein wenig aufzurichten. Heute war er zum ersten Mal seit Tagen in der Lage, selbst den Becher zu halten und ein wenig zu trinken und sogar von der dünnen Suppe zu essen, die sie ihm brachte.
Pierres Genesung ging nur langsam voran, aber er fühlte sich jeden Tag ein wenig besser und empfand tiefe Dankbarkeit für die Menschen, die sich seiner so aufopfernd angenommen hatten. Es war ihm nicht entgangen, dass Isabelle ihn weitaus fürsorglicher betreute, als dies für einen gewöhnlichen Gast angemessen gewesen wäre. Er führte dies aber zunächst darauf zurück, dass er durch die Bergung der beiden Toten bei den Fischern hier im Ansehen gestiegen war. Zumindest glaubte er, sich dunkel an so etwas erinnern zu können.
Dann merkte er, dass Isabelle ihn immer dann mit zärtlicher Neugier betrachtete, wenn sie ihn schlafend glaubte, und ein seltsamer Kampf tobte in seinem Herzen. Es schmeichelte ihm natürlich, sich von einem so hübschen Mädchen umsorgt und diskret umschwärmt zu wissen, andererseits würde er sie enttäuschen müssen, da seine ganze Liebe noch immer dem Orden galt, in den er nach wie vor eines Tages aufgenommen zu werden hoffte.
Eines Abends saß Isabelle mit ihrem Flickzeug in der Nähe der Kohlepfanne und war so vertieft in ihre Arbeit, dass sie gar nicht bemerkte, wie Pierre sie aufmerksam musterte. Der Kampf, den er nach außen hin unbemerkt ausfocht, betraf die Seite seines Wesens, die eindeutig männlicher Natur und als solche auch für weibliche Reize empfänglich war. Isabelle hatte restlos alles, was diese Natur immer wieder wachrief und Pierre in helle Aufregung versetzte. Er hoffte inbrünstig, das Mädchen würde der äußeren Zeichen dieser Aufregung nicht gewahr, von denen er glaubte, sie müssten selbst im Dämmerlicht des Kohlefeuers deutlich sichtbar sein. In der folgenden Nacht stellte er erschrocken fest, dass sich sein Körper wohl der Erregung selber entledigt hatte, während er einen unkeuschen Traum hatte, in dem Isabelle eine wichtige Rolle spielte.
Tage und schließlich Wochen verstrichen, und Pierre genas. Zum Weihnachtsfeste war er wieder ganz der alte und feierte diesen Tag mit den Wirtsleuten und
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