Die Rose von Angelâme (German Edition)
deren Nachbarn, indem er mit ihnen gemeinsam zur Mette ging, und dann die dicksten Krapfen und besten Honigkuchen vorgesetzt bekam, die er jemals gegessen hatte. Isabelle war den ganzen Abend nicht von seiner Seite gewichen, und Pierre gab sich redlich Mühe, sie ein wenig auf Distanz zu halten, ohne ihre Gefühle dabei zu verletzen.
Es war schon spät in der Nacht, als die Männer mit heißem Apfelwein in der Schenke den Feiertag beschlossen. Pierre hatte fröhlich mit ihnen zusammen gefeiert und sich dann von ihnen verabschiedet, um in seine Kammer zu gehen. Erschöpft und doch glücklich kroch er auf sein Lager. Da berührte er einen warmen Körper und erstarrte.
„Isabelle!“
Sie schmiegte sich an ihn und einen Augenblick lang schloss er sie voller Liebe in seine Arme. „Isabelle, es geht nicht an …“ begann er atemlos, aber sie hielt ihm mit ihrer festen Hand den Mund zu.
„Sagt nichts“, bat sie ihn. „Die Eltern könnten es hören.“
„Isabelle, ich … Gütiger Gott, Isabelle!“
Ihre Hände und Lippen glitten über seine Haut, waren überall, erregten ihn bis an die Schmerzgrenze.
Schließlich gab er den Kampf auf.
Er küsste ihre Lippen, ihren Hals, ihre runden Brüste. Er sog gierig den herben Geruch ihrer Haut auf, roch ihre Erregung, hörte ihr leises Stöhnen.
Die Härte seiner Männlichkeit verunsicherte ihn, als sich ihre Finger zuerst zögernd, dann energisch darum schlossen. Er wusste, was sie von ihm erwartete, und doch befürchtete er, sie zu verletzen.
Bilder tauchten vor ihm auf, die er niemals völlig verarbeitet hatte, Bilder halb nackter, lüsterner Männer, die sich in zügelloser Leidenschaft freizügig dargebotener, käuflicher Frauenkörper bedienten. Er hatte es oft genug gesehen im Hause Giselaines, hatte niemals geglaubt, eine Frau so sehr zu begehren, wie er es in diesem Augenblick tat.
Ihre Zunge glitt in seinen Mund, raubte ihm fast die Sinne. Seine Finger hatten die Verlockung zwischen ihren Beinen entdeckt und vorsichtig begann er, sie zu streicheln. Erstaunt über das, was sich ihm offenbarte, glitten seine Finger zögernd in ihre feuchte Wärme.
„Isabelle!“
Als er spürte, wie lustvoll sie sich ihm öffnete, versank er mit einem lauten Aufstöhnen in ihr und ließ sich von einer Woge der Erregung mitreißen, die ihm von ihrem heißen Körper entgegenbrandete. Er überwand den leichten Widerstand in ihr und ergoss sich schließlich in ihren Leib, als sie ihn sich aufbäumend dazu aufforderte.
Der Bote kam in den ersten Januartagen. Er tippte mit den Fingern der rechten Hand auf den Haaransatz hinter dem Ohr, und Pierre verstand das Zeichen: Dort war manchmal das Kreuz eingebrannt, das die Mitglieder der Geheimen Bruderschaft trugen.
Plötzlich fiel es ihm wieder ein: dieses Zeichen! Er hatte ein ähnliches gesehen, als er die beiden Toten aus dem Wasser gezogen hatte. Die beiden jungen Männer waren junge Männer seiner Bruderschaft gewesen. Gütiger Vater! Das Unwetter hatte wohl ihr Schiff überrascht, als sie aus Frankreich fliehen wollten. Ob die Fischer das Zeichen auch bemerkt hatten?
„Henri le Loup wünscht Euch unverzüglich zu sehen“, sagte der Bote, der von seinem Pferd gestiegen war, jedoch nicht in die Stube kommen wollte. „Ihr trefft ihn am kommenden Sonntag in der Kathedrale von Rouen.”
„Ich werde da sein“, antwortete Pierre und sah dem Reiter nach, der gleich darauf wieder zwischen den Fischerhäuschen verschwand.
Henri le Loup. Der Nachfolger Arnaud Montgelas’ als Großmeister der Bruderschaft de Saint-Germain-des-Prés. Pierre wusste bislang nur um seinen Namen, gesehen hatte er ihn noch nie.
„Ich bitte Euch, mir die Rechnung zu machen“, rief er der Wirtin zu, die gerade den Küchenboden gekehrt hatte und ein Häufchen Sand aus der Tür kippte. „Übermorgen werde ich weiterreisen.“
Die Wirtin starrte ihn einen Augenblick lang ungläubig an.
„Ihr wollt weiter?“, fragte sie überrascht. Es schien, als habe sie vollkommen vergessen, dass Pierre zahlender Gast des Hauses und nicht etwa Familienmitglied war.
„Ja, denn ein Bote hat mir mitgeteilt, dass ich am Sonntag anderwärts erwartet werde“, antwortete er und vermied es, sie dabei anzusehen. Warum nur überkam ihn plötzlich ein schlechtes Gewissen? Mit einem Mal fühlte er sich wie ein Dieb, der sich heimlich davonstahl, ohne Isabelle noch einmal zu sehen.
Der Tag wird kommen, da ihr Gekrönter von seinem Thron in den Schmutz gestoßen
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