Die Rose von Angelâme (German Edition)
erfreuen. Sie werden diejenigen verlachen und davonjagen, die nicht dem Wort glauben wollten, das da sagt, dass der Rosenstock an jenem seligen Tage Vater für viele andere sein werde, die nach ihm kommen, und dass die Blüten und Früchte vor dem Samen stehen, aus dem er selbst gewachsen ist. Es wird all denen neue Hoffnung geben, die ihn erkennen.
Nahe Saint-Germain-des-Prés im Herbst des Jahres 1306
Montgelas stand am Fenster und starrte auf die glitzernde Oberfläche der Seine hinunter, die unweit seiner Residenz in Saint-Germain-des-Prés außerhalb der Stadt dahin floss. Er beschattete mit zitternden Händen seine Augen. Gegen das matte Licht der aufgehenden Sonne konnte er einige kleine Fischerboote ausmachen, die sich wie Fliegen auf der silbrigen Wasseroberfläche tummelten.
Er malte das alte Symbol eines Fisches in den Staub auf der Fensterbrüstung vor sich. Dann warf er einen letzten Blick zum Horizont hinüber, von wo jetzt schwere, graue Wolken aufzogen und einen baldigen Wetterumschwung ankündigten.
Montgelas war an diesem Tag sehr früh aufgestanden, weil ihn seine Blase drückte. Der alte Mann konnte, nachdem er mühsam sein Wasser abgeschlagen hatte, nicht wieder einschlafen. Am Vortag waren Nachrichten eingetroffen, die ihn nicht mehr zur Ruhe kommen ließen. Montgelas stand vor schwerwiegenden Entscheidungen. Er würde sie in den kommenden Stunden mit seinen engsten Vertrauten besprechen müssen, die er zu sich hatte rufen lassen, und die jetzt nacheinander den Raum betraten.
Die Männer setzten sich auf ihre angestammten Plätze um den Tisch aus dunklem Kastanienholz und warteten darauf, dass Montgelas sich auf seinem schlichten, hochlehnigen Stuhl niederließ, um die Gesprächsrunde zu eröffnen.
„De Molay ist trotz aller Warnungen nach Frankreich gekommen, zusammen mit ungefähr sechzig seiner besten Männer“, begann der alte Mann, als die üblichen Vorbereitungen beendet waren. „Er hat sich umgehend zu Papst Clemens begeben, um mit ihm über die Vorwürfe zu diskutieren, die gegen den Orden der Tempelritter erhoben worden sind.“
Die Männer wussten davon und warteten schweigend auf den weiteren Bericht ihres Großmeisters.
„Ich hoffe nach wie vor, dass der Papst kein Wort der Verleumdungen gegen den Templerorden glaubt. Ich weiß aber auch, dass dieser unwürdige Nachfolger Petri als Schoßhund des Königs nach dessen Pfeife tanzt, auch wenn er immer wieder Anstalten macht, eigene Entscheidungen zu treffen.“
Er sah in die schweigenden Gesichter.
„Außerdem ist offensichtlich, dass einige angesehene Mitglieder des Klerus daran interessiert sind, die Templer unter Kontrolle zu bringen. Damit unterstützt die Kirche bewusst die Pläne des Königs, der wiederum seine eigenen Gründe hat, den Rittern zu schaden.“
Ein leises Murmeln begleitete seine letzten Worte, welches er mit einer Handbewegung zum Verstummen brachte.
„Es geht beiden um Macht und Geld“, warf einer der Anwesenden halblaut ein. „Den Männern der Kirche und dem König.“
Niemand antwortete, aber alle wussten, dass er recht hatte.
„Es ist mir darüber hinaus bekannt, dass der König alles daran setzt, sich das Lehen derer zu Angelâme anzueignen. Er hat seinen Beichtvater angewiesen, alle verfügbaren Unterlagen herauszusuchen und sich etwas einfallen zu lassen, wie das bewerkstelligt werden könnte. Diskret, versteht sich. Den beiden scheint jedes Mittel recht zu sein, ihr hoch verschuldetes Land aus dieser Misere zu ziehen.“
„Den beiden?“
„Den König und Guillaume Imbert, seinen Beichtvater.“
„Dann sind es drei“, warf einer der Männer ein. Erneutes Gemurmel erhob sich.
„Das ist richtig“, pflichtete ihm Montgelas bei. „De Nogaret ist der Dritte im Bunde. Er ist gierig wie ein hungriger Wolf hinter einer anderen Beute her: jenem Geheimnis, auf dessen Spur er durch den gewaltsamen Tod unseres seligen Vaters Bonifatius gestoßen ist. De Nogaret verspricht sich von seiner Entdeckung einen ungeheuerlichen Vorteil.“ Er schaute müde in die Runde. „Dabei mutmaßt er, auch Guillaume Imbert wäre auf dieses Geheimnis gestoßen. Der eine lässt den anderen die schmutzige Arbeit machen und will zugreifen, bevor der ihm die vermeintliche Beute streitig macht.“
Wieder erhob sich zorniges Gemurmel. Um die Männer zu beruhigen, fuhr Montgelas fort:
„De Nogaret weiß nicht, was wirklich hinter dem Geheimnis steckt, das er zu ergründen hofft. Da es ihm nur um den
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