Die Rose von Asturien
sollte. Wenn diese sie an die Franken verriet, würde die Flucht der waskonischen Geiseln durch ihre Schuld scheitern. Schließlich hatte sie keinen Grund, der Tochter jenes Mannes zu helfen, der ihren Vater getötet hatte. Sie spürte jedoch, dass ihr Hass nicht groß genugwar, Ermengilda all das Elend zu wünschen, welches die Asturierin im Frankenreich erwartete. Entschlossen packte sie sie, schüttelte sie und zog sie zu sich herum.
»Jetzt hör mir gut zu! Bist du bereit zu schwören, nichts von dem, was ich dir jetzt sage, weiterzuerzählen?«
Ermengilda starrte sie verwundert an, ohne zu begreifen, was Maite von ihr wollte.
»Verdammt, schwörst du nun, oder tust du es nicht?«, fuhr diese sie an.
Ermengilda schob ihre Zweifel und ihren Kummer beiseite.
»Ich schwöre«, sagte sie mit müder Stimme.
»Eneko, ich und einige andere werden morgen fliehen. Ich will, dass du mit mir kommst.«
»Fliehen?« Ermengilda starrte sie zweifelnd an. Als Philibert ihr denselben Vorschlag gemacht hatte, war sie sofort dagegen gewesen, aber mehr aus Sorge um ihn als wegen der Folgen, die dieser Schritt nach sich ziehen würde. Um Maite brauchte sie sich keine Gedanken zu machen. Die Waskonin war so jung und gesund wie eine Bergziege und kannte das Land wie keine Zweite. Zudem war sie überzeugt, dass Maite sie nach alledem, was sie gemeinsam erlebt hatten, nicht erneut versklaven lassen wollte.
Langsam, als sträube sich ihr Nacken gegen den Entschluss, nickte sie. »Ich komme mit!«
Das würde für Philibert das Beste sein – und auch für Konrad. Sie fragte sich jedoch, warum sie ausgerechnet jetzt an die beiden denken musste. Natürlich hatten die fränkischen Krieger ihr das Leben gerettet und damit Anspruch auf ihre Dankbarkeit erworben. Aber sie empfand viel mehr für die jungen Männer. Beide wären ihr als Ehemänner lieber gewesen als der, der sich vor der Welt so nannte, ohne es vor Gott zu sein.
Maite sah, wie Ermengilda in ihr Grübeln zurücksank, und war im Augenblick froh, keine Fragen beantworten zu müssen,denn sie hatte einen Haken entdeckt. Als Gemahlin eines fränkischen Edelings zählte Ermengilda nämlich nicht zu jenen, die die Mauern von Iruñea schleifen mussten. Aber wenn sie zusammen fliehen wollten, musste die Asturierin sich in ihrer Nähe aufhalten.
»Hör mir gut zu! Du wirst morgen Nachmittag zum östlichen Tor kommen. Dort versammeln wir uns und nehmen dich mit. Graf Eneko wird Pferde für uns bereitstellen lassen.«
Bei diesen Worten ging ihr auf, dass sie dem Herrn von Iruñea, der Okin zu höherer Macht und Ansehen verholfen hatte, dankbar sein musste, weil er ihr die Möglichkeit zur Flucht bot.
6.
B
ei den Bewohnern von Iruñea löste der Befehl des Königs, die Mauern niederzureißen, Entsetzen aus. Da ihre Stadt im Spannungsfeld zwischen Asturien, den Mauren und dem Fränkischen Reich lag, bedeutete dies, in Zukunft jedem Feind schutzlos ausgeliefert zu sein. Für Graf Eneko war es außerdem das Ende seiner Pläne, Nafarroa zu einem unabhängigen Reich zu machen und sich die Königskrone aufs Haupt zu setzen.
Mit glühendem Hass im Herzen musste er zusehen, wie die Franken die Bewohner seiner Stadt aus den Häusern holten und zu den Befestigungswerken trieben. In einem Viertel weigerten sich etliche, mit dem Zerstörungswerk zu beginnen, und es war, als hätten die Franken nur darauf gewartet, ein Exempel statuieren zu können.
Fränkische Krieger rissen den Widerstand leistenden Bewohnern die Kleider vom Leib, schoren ihnen die Haare und legten ihnen Sklavenringe um den Hals. Währenddessen wurdenihre Häuser geplündert und niedergerissen. Danach wagte niemand mehr, sich König Karls Befehl zu widersetzen. Roland zwang auch Eneko Aritza dazu, Hand anzulegen. Dies war seine persönliche Rache für die vielen Tage, an denen der Stadtherr Pamplonas Tore vor ihm verschlossen gehalten hatte.
Während Eneko mit einem schweren Stein kämpfte, der sich nicht aus der Mauer lösen wollte, trat jemand an seine Seite und packte mit an.
»Du lässt dir viel gefallen, mein Freund!«, sagte der Mann. Seiner Kleidung nach handelte es sich um einen der ärmeren Bewohner der Stadt, aber sein Arabisch verriet hohe Abkunft.
Eneko brauchte einige Augenblicke, bis er seinen Helfer erkannte. »Jussuf Ibn al Qasi! Was für eine Kühnheit, hier aufzutauchen. Wenn die Franken dich entdecken, bist du schneller bei deinem Allah, als du es dir vorstellen kannst.«
»Die Augen der Giauren
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