Die Rose von Asturien
nicht mehr das Gefühl haben, bis zum Hals in Blut zu waten. Und Ermengilda wäre vielleicht froh, auf dieser Reise ein bekanntes Gesicht um sich zu haben, und es verlockte sie zu versuchen, Konrad auf irgendeine Weise zu helfen. Zwar standen die Chancen schlecht, aber sie wollte die Möglichkeit nicht aus der Hand geben.
»Wann sollen wir aufbrechen?«, fragte sie.
Okin musste an sich halten, um sich seine Erleichterung nicht anmerken zu lassen. Er hatte niemals erwartet, dass Maite so rasch auf seinen Vorschlag eingehen würde. »Fadl Ibn al Nafzi will kurz nach Sonnenaufgang losziehen und uns mit einem Teil seiner Männer bis Córdoba eskortieren. Eben noch hat er sich bei Eneko und mir für unsere Sicherheit verbürgt!«
Das Letzte war Okin gerade noch eingefallen, um zu verhindern, dass seine Nichte argwöhnisch wurde.
Doch Maite war noch viel zu sehr von dem Grauen des Gemetzels erfüllt, um die Beweggründe ihres Onkels zu hinterfragen. Sie nickte nur und sah dann zu Konrad hinüber, der gefesselt am Boden lag und sich nicht rühren konnte. Für ihn würde der Weg, den er am nächsten Tag antreten musste, der Beginn eines langen Sterbens sein, und sie machte sich Vorwürfe, weil sie ihn mit dem Versuch, sein Leben zu retten, in diese Lage gebracht hatte. Seine Qualen und sein Tod würden ihr Gewissen bis zum letzten Atemzug belasten.
Da Maite wieder ihren Gedanken nachhing, kehrte Okin aufatmend zu Eneko zurück. Dieser saß mit starrer Miene auf einem Klappstuhl, den sie von den Franken erbeutet hatten, und starrte ins Leere. Als er Okins Schritte vernahm, wandte er ihm das Gesicht zu.
»In unserer jetzigen Situation ist es besser, Freunde zu suchen. Aus diesem Grund habe ich beschlossen, dich zu Abd ar-Rahman zu schicken. Wir brauchen die Gunst des Emirs, wenn wir die nächsten Jahre überstehen wollen. Ich traue weder Jussuf Ibn al Qasi noch dem Berber Fadl. Ersterer könnte versuchen, uns ganz seiner Herrschaft zu unterwerfen, und Fadl Ibn al Nafzi unterstelle ich, dass er eine eigene Markgrafschaft auf unsere Kosten errichten will.«
»Das möge Gott verhüten!« Okin wurde blass. Wenn Fadl sich in diesem Landstrich zwischen dem Herrschaftsgebiet der al Qasi bei Saragossa und den Pyrenäen ansiedelte, würde er Maite mitbringen und als ihr Ehemann genau jene Ansprüche erheben, die er fürchtete.
Eneko begriff, was seinen Gefolgsmann bewegte, und musste trotz der Trauer um seinen Ältesten lachen. »Wir wollen beide nicht hoffen, dass Fadl sich das Gebiet nördlich des Ebros als neue Heimat aussucht. Dann nämlich würde er Maite nicht inseinem Harem halten können. Mir ist das Mädchen ehrlich gesagt zu geschickt mit Schleuder und Dolch, und ich möchte es nicht in meiner Nähe wissen.«
»Ein schneller Dolchstoß würde uns vor dieser Gefahr bewahren«, schlug Okin vor.
»Narr! Das hättest du vor etlichen Jahren erledigen müssen, aber dazu warst du zu feige«, fuhr Eneko ihn an. »Heutzutage wird jeder Mann, der auch nur in den Ruf gerät, an ihrem Tod schuld zu sein, sich einer Reihe von selbsternannten Rächern gegenübersehen. Du hast doch selbst gesehen, wie die Krieger Ikers Tochter vergöttern. Geschähe ihr auf meinen Befehl hin etwas, könnte ich mir auch meiner eigenen Männer nicht mehr sicher sein. Nein, Okin! Maite in einem Harem weit weg von hier verschwinden zu lassen, ist die beste Lösung. Von dort aus wird sie uns nicht mehr in die Quere kommen.«
3.
A
m nächsten Morgen gab Fadl schon vor Sonnenaufgang das Zeichen zum Aufbruch. Daher musste Maite ohne Frühstück in den Sattel steigen. Anmutig saß sie auf der kleinen, hellen Stute, die einst zu Konrads maurischer Beute gezählt hatte. Fadl Ibn al Nafzi hatte sich dieses Tier ebenso als Beute gesichert wie Konrads gefleckte Stute, die im Kampf verletzt worden war und ein wenig hinkte.
Der Franke selbst musste mit auf den Rücken gebundenen Händen zu Fuß gehen. Dazu hatten die Mauren ihm einen Strick um den Hals gelegt und das andere Ende am Schwanzriemen von Fadls Reittier befestigt. Um Konrad vollends zu demütigen, ließ der Berber ihm die restliche Kleidung vom Leib schneiden, so dass kein Fetzen mehr seine Blöße bedeckte.
Dann versetzte Fadl Konrad zwei Hiebe mit der Reitpeitsche, schwang sich in den Sattel und winkte seinen Männern, ihm zu folgen. Normalerweise pflegten Mauren ein flottes Tempo anzuschlagen, doch diesmal mussten sie auf die Waskonen Rücksicht nehmen, die keine guten Reiter waren. Kurze
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