Die Rose von Byzanz
weißt schon …“ Ihre Hand glitt hinauf zu ihrem Haar, das sie ungekämmt offen trug.
Theodora erstarrte. „Ich wusste nicht …“
Hatte sie geglaubt, Johanna sei irgendwann verschwunden? Hatte sie gedacht, nachdem Andronikos sich mit ihr vergnügte, hatte Johanna genug gesehen?
„Ich weiß es“, sagte Johanna nur.
„Was weiß sie?“ Livia trat zu Johanna, die Arme vor der Brust verschränkt. Das Gesicht war zu einer schmerzlichen Maske erstarrt.
„Er wird sie töten.“ Theodoras Stimme war ein Flüstern in der Stille des Raums, laut wie der Schlag einer Totenglocke.
„Mein Haar. Er will’s mir vom Kopf brennen“, erklärte Johanna bitter. „Weil ich keinen Makel habe.“
In der Nacht hatte sie genug Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Als sie mit schmerzenden Gliedern auf dem kalten Boden lag und in die Stille lauschte. Als sie glaubte, ihrem Körper wohne nicht mehr genug Kraft inne, um aufzustehen und sich in ihr Gemach zu schleppen. Und keiner der Gedanken gefiel ihr. Allein die Vorstellung, er könnte sie berühren …
Livia hob die Hand und streichelte Johannas Kopf. Sie ließ es geschehen. „Dein schönes Haar …“
Wenn er mich nicht tötet, wird Theodora mich hassen, weil ich sein neues „Meisterwerk“ bin …
Wie verderbt musste ein Mensch sein, um Gefallen an diesen unmenschlichen Qualen anderer zu finden?
„Was kann ich tun?“ Ihre Stimme hatte jede Kraft verloren. Livia führte sie zum Tisch. Sanft drückten ihre Hände Johannas Schultern nieder, dass sie sich auf die Bank setzte. Theodora saß ihr nun gegenüber, schob den Teller mit köstlichen Früchten von sich. Ihr schien der Appetit vergangen zu sein.
„Er hat davon gesprochen …“ Johanna starrte auf ihre Hände, die sich im Schoß krampften. „Dass es ihm gefällt, wenn wir uns miteinander vergnügen und er zusehen darf.“
„Das wird ihn nicht auf ewig befriedigen“, erwiderte Theodora sanft. „Irgendwann hat er genug davon. Und dann …“
Also blieb ihr nicht viel Zeit. Johanna atmete tief durch. „Zeig es mir. Zeig mir, wie ich ihm gefallen kann, indem ich mit dir …“ Es war schwerer, als sie gedacht hätte.
„Und dann?“, fragte Theodora sanft. „Das gibt dir einen Tag Zeit, vielleicht zwei. Danach langweilt es ihn, egal wie gut wir sind. Danach wird er dich wollen, wird er vielleicht erbarmungsloser sein, weil du ihn aufgestachelt hast.“
Livias Hände verstärkten den Druck auf Johannas Schultern. „Es klingt fast, als verteidigst du ihn.“
Theodora blickte beiseite. „Lebt drei Jahre in diesen Mauern, und ihr werdet lernen, dass er mehr ist.“
„Mehr als was? Mehr als ein Monster, ein Ungeheuer, ein widerlicher Lüstling, der die Frauen nach seinen Wünschen verunstaltet, sie leiden lässt, ehe sie elend verrecken?“ Livias Stimme hatte eine Schärfe, die Johanna zwar empfand, aber nicht auszudrücken vermochte. „Ist es das? Du liebst diesen Widerling, weil er dich leben lässt?“
„Nein!“, widersprach Theodora heftig, und in ihren dunklen Augen glomm ein Feuer. „Ich liebe ihn, weil er mehr ist. Ihr seht’s nur nicht, weil ihr nicht hinschaut. Weil ihr glaubt, es ginge ihm nur darum, euch leiden zu sehen. Aber wenn ihr lernt, den Schmerz zu lieben, dann werdet ihr auch begreifen, dass er ein guter Mann ist.“
Livia lachte bitter auf. Ihre Hände krallten sich in Johannas Schultern. „Schwester, ich will leben und nicht einem Mistkerl die Stiefel lecken, weil er mich halb totschlägt. Kann ja sein, dass es für dich ein Vergnügen ist. Ich hab von deinesgleichen gehört, es gibt diese Mädchen, die Lust am Schmerz empfinden. Gibt in den Bordellen genug Männer, die teures Geld in die Hand des Bordellbesitzers legen, damit sie eine Nacht der Hure den Rücken vernarben dürfen und sie sich dafür nicht nur bedankt, sondern ihn um immer mehr anfleht. Aber das ist nichts für mich. Und unsere Unversehrte hier scheint auch etwas dagegen zu haben, wenn ihr das Haar vom Kopf gebrannt wird.“
Theodora antwortete nicht. Abrupt stand sie auf. „Dann kommt mit. Es wird eure Leben nicht retten, aber wenn ihr euch ein paar Tage länger daran klammern wollt, werdet ihr vielleicht sogar Erfolg haben.“
Ein paar Tage, ob das genügte? Johanna bezweifelte es. „Danke“, flüsterte sie trotzdem und folgte ihr an der Seite von Livia.
Vielleicht gab es noch Hoffnung für sie. Vielleicht konnte sie Eirik eine Nachricht zukommen lassen, damit er wusste, wo sie war.
Aber das weiß
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