Die Rose von Byzanz
Spiel.
Sie schloss die Augen und hörte wieder seine Stimme, als stünde er neben ihrem Bett.
„Bitte, Irene“, hatte er geflüstert. „Schick mich nicht immer wieder fort. Du weißt, es genügt ein Wort von dir.“ Flehend waren seine Worte, bebend die Stimme.
Sie wollte ihm glauben. Nur zu gerne wollte sie ihm glauben.
„Lass mich los“, flüsterte sie dennoch.
„Nur wenn du mich küsst.“
Sie war einen Moment nur unaufmerksam gewesen, und nun hatte er sie gepackt, hielt sie fest, obwohl sie versuchte, sich gegen seinen Griff zu wehren.
„Einen Kuss nur“, bettelte er.
Wie konnte sie ihm widerstehen? Sie wurde weich in seinen Armen, ließ sich von ihm umfassen, spürte seine Hände, die durch den zarten Stoff ihres Kleids die winzigen Erhebungen ihres Rückgrats ertasteten. Ein Schaudern erfasste ihren Körper, ungekannte Lust, die in dem Moment ihren Höhepunkt erreichte, als er seinen Kopf zu ihrem neigte. Sie schloss die Augen, öffnete den Mund erwartungsvoll. Ihr Herzschlag erfasste ihren ganzen Körper.
Doch seine Lippen berührten ihre nicht.
Sie schlug die Augen auf.
Er betrachtete sie interessiert. Fragend blickte sie ihn an, und ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Aber etwas Böses blitzte dahinter auf.
„Glaubst du wirklich, ich würde mich mit einem Kuss zufriedengeben?“
Er ließ sie los. Irene sank auf die Polsterbank. Obwohl sie gleich groß waren, hatte sie das Gefühl, Andronikos rage übermächtig über ihr auf, und sie brauchte einen Moment, um nach den richtigen Worten zu suchen.
„Verschwinde“, flüsterte sie schließlich. „Verschwinde. Geh auf dein Landgut, mach mit dem Frankenmädchen was du willst. Mich wirst du nie bekommen. Nie.“
Aber sie wusste im selben Moment, dass sie log.
Und das Schlimmste war, dass auch Andronikos ihre Lüge durchschaute. Spöttisch lächelnd verneigte er sich vor ihr und verließ mit federnden Schritten das Audienzzimmer.
Irene bewahrte Haltung, bis sie sicher war, dass er nicht zurückkommen würde. Dann stand sie auf. Ihre Knie zitterten, ihr Herz schlug in stolperndem Takt, und als sie versuchte, die wenigen Schritte zur Tür zu gehen, hinter der ihre privaten Räume ihr Schutz boten, sank sie haltlos zu Boden. Schluchzer erschütterten sie, und sie umarmte ihren Oberkörper, wiegte sich vor und zurück und wusste nichts mehr.
Sie wachte einige Stunden später in ihrem Bett auf. Ihre Diener hatten sie wohl gefunden und hergebracht, denn sie trug ein schlichtes Unterhemd, und jemand hatte heiße Ziegelsteine unter dem Bettzeug vergraben, obwohl draußen sommerliche Hitze herrschte. Aber in Irene war es so kalt, dass sie keinen Schlaf mehr fand. Auch der Hunger war ihr vergangen. Sie blieb den ganzen Tag im Bett, und auch heute war ihr am Morgen die Mühsal zu viel gewesen, aufzustehen und sich anziehen zu lassen. Das Haar frisieren zu lassen und dann die wenigen Schritte hinüber zu ihrem Audienzzimmer zu gehen.
Sie hatte Eirik verloren. Und Andronikos trieb sein Spiel mit ihr, weil sie einen winzigen Moment lang ihre Schwäche offenbart hatte.
Es gab keinen Ausweg mehr für sie.
Irene rollte sich auf die Seite.
Eine Dienerin trat auf Zehenspitzen an ihr Bett. „Herrin. Euer Warägeroffizier bittet, von Euch empfangen zu werden. Ich habe ihm bereits erklärt, Ihr seid unpässlich, aber er glaubt mir nicht.“
Warum sollte er das auch glauben, dachte Irene bitter. Er denkt vermutlich, ich empfange ihn nicht, weil es mit uns vorbei ist.
Dabei empfand sie keinen Groll. Keine Eifersucht, weil er eine andere Frau bevorzugte. Das Geld hatte sie ihm gerne gegeben. Wenigstens er sollte sein Glück finden dürfen.
Doch jetzt hatten die Dinge sich verändert. Er hatte das Frankenmädchen an Andronikos verloren. Und sie hatte ihre Fassade verloren, die sie bisher davor bewahrt hatte, von Andronikos bedrängt zu werden. Irene versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie musste … sie durfte nicht …
„Lass ihn hereinkommen.“
Die Dienerin nickte stumm. Irene wusste, die Ältere billigte es nicht, wenn sie einen Warägeroffizier im Bett liegend empfing, auch wenn sie das nicht aussprach. Zumal es kein Geheimnis war, dass Eirik Hallgrimsson für sie mehr war. „Warte.“ Sie richtete sich mühsam auf. „Ich möchte mich erst herrichten. Und dann lass ihn in das Audienzzimmer führen.“
Es wäre leichter, wenn sie ihm gestattete, sie schwach zu sehen. Es wäre leichter, ihm dann zu vermitteln, was sie von ihm wollte.
Er
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