Die Rose von Byzanz
drei Schritte zu der Polsterbank, die an der Wand stand. Ihre Bewegungen waren von einer Anmut, die ihn schmerzte. Hatte sie sich schon immer so bewegt? Fiel es ihm erst jetzt auf, da er sich gegen sie entschieden hatte, dass er für sie mehr empfand?
Nein. Sie wirkte nur verletzlich, und das verwirrte ihn. So verletzlich hatte er sie nie erlebt.
Er ging zu ihr, setzte sich neben sie und legte schweigend das Geld in ihre Hände. Das Klimpern der Münzen klang kalt, und ihre Hände krampften sich um den Lederbeutel.
„Es ist meine Schuld“, gestand sie leise. „Ich habe es ihm erzählt.“
Er atmete tief durch. Geahnt hatte er es wohl, doch von ihr die Wahrheit zu hören machte es ihm leichter, damit umzugehen.
„Warum?“
„Du hast mich verlassen.“
Er hatte sie verletzt. All ihren fröhlichen Worten und ihrer Bereitwilligkeit zum Trotz, ihm mit dem Geld auszuhelfen, hatte sie sich von ihm zutiefst gedemütigt gefühlt.
„Es tut mir leid.“ Ihm fiel es schwer, diese Worte auszusprechen. „Ich werde fortgehen. In wenigen Tagen geht das letzte Schiff nach Norden.“
„Du lässt mich allein?“
Er lächelte. „Du bist nicht allein.“
Sie fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. „Ich habe ebenso gefehlt wie du. Ich hoffe, du findest irgendwann die Kraft, mir zu verzeihen, was ich dir angetan habe. Und ihr“, fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
Eirik schwieg dazu.
„Er wird sie töten“, wisperte Irene tonlos. „Erst wird er sie verführen, dann wird er sie mit seinen grausamen Spielen zerstören. Und irgendwann, wenn sie nicht mehr weiß, ob sie ihn liebt oder hasst, wird er sie töten. Es wäre nicht das erste Mal. Und sollte sie überleben, was er mit ihr tut …“
Sie sprach nicht weiter.
„Warum kümmert es dich, was aus dem Mädchen wird?“, fragte Eirik. „Sie ist nur eine Sklavin.“ Er schluckte schwer an dieser Lüge. „Schlimm genug, dass ich …“
Sie brachte ihn mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen. Ihre Miene war undurchdringlich, als sie sagte: „Ich habe meine Gründe.“
„Und was sind das für Gründe?“ Er sah sie nicht an. Starr blickte er geradeaus. Wenn er sie ansah, dann wollte er sie auch berühren.
„Vor Jahren, als unsere Eltern noch lebten, da …“ Sie zögerte. „Andronikos ist mein Bruder, aber …“
Eirik half ihr nicht.
„Er ist mein Bruder, doch begehrt er mich wie jede andere Frau. Er will mich in sein Bett holen, und ich wehre mich seit Jahren dagegen. Doch wenn du nicht mehr da bist, wer … wer beschützt mich dann?“
Sie schluchzte auf. Es war nur ein leises Geräusch. Er widerstand dem Impuls, die Hand nach ihr auszustrecken.
In ihm wurde es kalt.
Darum hast du mich in dein Bett geholt, Irene? Damit ich dich vor ihm beschütze?
Und weil Andronikos ihn dafür hasste, nahm er Eirik das Einzige, von dem er wusste, dass er es sich von Herzen wünschte. Das Frankenmädchen. Johanna.
Unbändiger Zorn stieg in ihm auf. Er ballte die Hand zur Faust.
Wie hatte er nur all die Jahre so blind sein können?
„Was soll ich tun?“, fragte er mit rauer Stimme. „Deinen Bruder herausfordern? Er ist ein angesehener Adliger, ein Mann mit vielen Freunden. Soll ich mein Leben aufs Spiel setzen, um dich von ihm zu befreien?“
„Nein“, erwiderte sie heftig. „Nein, du sollst dein Leben nicht um meinetwillen aufs Spiel setzen!“
„Warum dann?“
„Um ihretwillen!“, schrie sie. „Um ihretwillen sollst du dein Leben riskieren, Eirik Hallgrimsson. Dass ich es dir nicht wert bin, brauchst du mir nicht zu sagen. Das weiß ich, das war immer so. Aber dieses Mädchen hat etwas in dir geweckt, sonst wärst du nicht zu mir gekommen. Er wird sie aus genau diesem Grund umbringen. Weil er weiß, du liebst sie. Weil er weiß, es macht dich krank, von ihrem Tod zu erfahren.“
Eirik erhob sich.
„Geh nicht!“ Ihre Hand krallte sich in seinen Ärmel. „Du hast recht, es gibt noch einen Grund, warum ich es nicht ertrage, dass dieses Mädchen in seinen Händen ist. Nicht nur, weil er sie quälen wird, denn das wird er mit allen Frauen tun. Aber es soll zu Ende sein, Eirik. Er soll damit aufhören.“
Unwillig machte er sich von ihr los. „Dann willst du also, dass ich ihn töte?“
Ihn entsetzte der Gedanke. Bald band ihn kein Eid mehr, doch fühlte er sich nach wie vor verpflichtet, dass keinem Adligen im Palastbezirk ein Leid geschah.
„Töte ihn nicht. Aber biete ihm etwas an. Einen Handel.“
Ihre Stimme war so
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