Die Rose von Darjeeling - Roman
Freundschaftshütten, Treffpunkte für empfindsame Seelen, und allerlei Sinnsprüche eines verstorbenen Schlossherrn, eingeritzt in die Parkbänke, die ihre Besucher in eine andere Epoche versetzten. Max musste lachen und nahm sich vor zu beherzigen, was er auf einer dieser Bänke las:
Fast endlos scheinet der Pfad hier.
So scheinet das Leben dem Jüngling.
Und ach, wie täuschen sich beide.
Er musste langsam mal zum Angriff übergehen.
Am nächsten Morgen färbte rosiges Licht dicke Regenwolken, die von Nordwesten am Horizont aufkamen, während die letzten Sterne verblassten. Um kurz nach sechs erhob sich die in Orangerosa glühende Scheibe über der aprilgrünen Landschaft, und Julia und Max joggten direkt in den Sonnenaufgang hinein.
Die Luft war kühl und klar. Vogelgesang und Kiwitt-Rufe begleiteten ihren Lauf vorbei an Weiden, auf denen schwarzbunte Kühe knietief im Morgennebel standen. Gemeinsam den Tagesbeginn auf diese Weise zu erleben hatte etwas sehr Intimes.
Max spähte immer wieder in die Bauerngärten am Wegesrand. Er konnte inzwischen viele rote Rhododendronsorten voneinander unterscheiden: ›Scarlett Wonder‹, ›Baden-Baden‹, ›Bengal‹ zum Beispiel, sie blühten schon jetzt, Ende April. Eine große Orientierungshilfe war für ihn, dass er nach einem ungefähr drei Meter hohen Busch Ausschau halten musste, so groß sollte die Rose von Darjeeling inzwischen mindestens sein. Manchmal, wenn eine Anlage sehr weitläufig oder uneinsehbar war, schwang Max sich über den Gartenzaun oder schlüpfte durch eine Hecke und lief mitten hindurch. Anfangs hatte Julia protestiert. Sie befürchtete, ein Hofhund oder eine Alarmanlage könnte sie erschrecken. Doch mittlerweile fand sie diese Entdeckungsschlenker spannend, geradezu aufregend! Viele der Höfe oder auch Gutshäuser waren ihr seit ihrer Kindheit vertraut, aber nur von der Straßenansicht her, und Julia lernte ihre Heimat nun neu kennen. Allein hätte sie sich das nie getraut. Dass Max getrieben war von der Hoffnung, irgendwo möge ihm das legendäre scharlachrote Leuchten der Rose von Darjeeling ins Auge fallen, konnte sie nicht ahnen.
Sie hatten schon wunderschöne Stimmungen erlebt in der natürlichen Parklandschaft mit ihren Wallhecken, Weiden und Wäldern, mit der farbenfrohen Rhododendronpracht und betäubend duftenden Azaleen, mit Wiesenkerbel an Wegen unter blühenden Birken, Hainbuchen und Fliederbüschen – doch die Rose von Darjeeling blieb verschollen.
Max bekam ein zunehmend schlechtes Gewissen, weil er Julia gegenüber nicht mit offenen Karten spielte. Doch er wollte sie erobern, bevor sie von seiner wahren Identität wusste. Max wollte sicher sein, dass sie ihn um seiner selbst willen mochte.
»Igitt!«, fluchte Julia, als es zu regnen begann.
Das letzte Stück bis zum Auto rannten sie um die Wette. Max war einige Sekunden vor ihr am Ziel. Aber er lehnte so lässig mit einem Arm abgestützt am Auto, als warte er schon seit Stunden auf sie.
»Ach, du auch hier?«
»Angeber«, zischte sie atemlos. »Du bist so was von arrogant!«
»Ich bin nicht arrogant, ich bin nur besser und schneller als du.«
Grinsend streckte sie ihm die Zunge raus. Max zog sich die Sweatjacke aus, sein T-Shirt war schweißnass. Muskeln und Sehnen zeichneten sich unter dem Stoff ab und ein flacher Bauch, sein Brustkorb hob und senkte sich schnell.
»Dafür keuchst du aber ganz schön«, konterte Julia.
Sie spürte seine Körperwärme, die testosterongeschwängerte Aura, die ihn umgab … Ist ja direkt sittenwidrig, dachte sie, wie er hier seinen männlichen Sex-Appeal zur Schau stellt!
Der Regen wurde stärker. Julias Wangen glühten noch, doch jetzt sah Max sie mit einem Blick an, der sie frösteln ließ. Sie stellte sich unter einen Baum, um nicht noch nasser zu werden.
»Du wirst unterkühlen«, sagte Max, holte ein Handtuch aus dem Kofferraum und begann, Julias Nacken und Schultern abzurubbeln. Langsam und gefühlvoll.
Schauer rieselten ihr den Rücken hinunter bis in die Zehenspitzen. Hmhm, fühlte sich das gut an … Zu gut! Am liebsten würde sie sich jetzt einfach in seine Arme fallen lassen. Verdammt, sie hatte lange keinen guten Sex mehr gehabt. Jetzt, wo sie so schön durchblutet war vom Laufen, spürte sie ihren Körper besonders intensiv. Und der signalisierte ihr gerade schamlos: volle Einsatzbereitschaft, bitte nutzen! Abrupt nahm sie das Handtuch an sich und trocknete sich allein weiter ab.
»Keine Intimitäten!«, sagte sie
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