Die Rose von Darjeeling - Roman
streng.
»Schade …« Max lächelte. Wie süß zerzauselt und erhitzt sie aussah! Zum Anbeißen.
Julia entging dieser Blick keineswegs. »Beherrsch dich!«
»Ich hab nichts gesagt.«
»Aber gedacht.«
»Die Gedanken sind frei.«
Max blickte über ihren Kopf aufs weite Land. Sie betrachtete sein Gesicht. Phänomenal, wie seine Augenfarbe je nach Tageslicht und Umgebung zwischen Grün und Blau changierte! Ihr erster Eindruck hatte sie getäuscht. Wenn er die Haare wie jetzt aus der Stirn trug, sah er alles andere als tollpatschig aus. Gegen ihren Willen konnte sie den Blick nicht abwenden. Zwischen den Augenbrauen entdeckte sie eine steile Falte. Trotzdem schien seine Mimik immer nur eine winzige Regung entfernt zu sein von einem charmanten Lächeln, das sagte: Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Und wenn einer sie in den Griff kriegt, dann wir zwei beide.
Max war noch nicht rasiert. Er schien einen ziemlich kräftigen Bartwuchs zu haben. Und dieser volle Mund … die energische, scharf geschnittene Oberlippe, die sinnliche Unterlippe. Eine Mischung aus Intelligenz, Entschlossenheit und … ja, Sexappeal. Wie er wohl küsste?
Langsam ließ der Regen nach, tatsächlich schien die Sonne sich durch die Wolken zu kämpfen. Und nun flog wieder dieses Lächeln über sein Gesicht. Er zeigte in den Himmel.
»Siehst du, ein Zeichen! Du sollst dich mit mir versöhnen: Da wächst gerade ein Regenbogen. Sagt man das so auf Deutsch? Er wächst?«
»Schön.« Verwirrt drückte Julia Max das feuchte Frotteetuch in die Hand. »Man sagt eher, er entsteht, Regenbögen entstehen.«
Max warf das Handtuch ins Auto, er trocknete sich mit seiner Sweatjacke ab.
Was ist mit mir los?, dachte Julia, irgendetwas Seltsames geschieht da gerade mit mir.
Max sah sie an. »Ist was? Bist du jetzt sauer?«, fragte er.
»Quatsch! Alles in Ordnung.«
Max lächelte schelmisch. »Dann bin ich ja beruhigt.«
Sie stiegen ein, und Max fuhr los. Julia schenkte ihm ein breites Lächeln, um zu zeigen, dass alles gut war. »Was steht denn als Nächstes auf deinem Programm?«
»Der Rhodopark in Gristede …« Max seufzte. »Ich glaub, danach kann ich nicht mehr. Ich brauche eine Auszeit.«
»Genehmigt.«
»Von Rhodos, nicht von dir.«
»So wirst du nie Experte.«
»Ich will ja nicht enden wie du.«
»Was soll denn das nun wieder heißen?«
»Nie Zeit fürs Vergnügen …«
»Ach, und was machen wir jetzt gerade?«
»Ha!« Max triumphierte. »Zum ersten Mal hast du zugegeben, dass es ein Vergnügen ist, mit mir zusammen zu sein.«
Julia schüttelte den Kopf wie eine alte Frau, die sich unverstanden von der Welt fühlte, aber insgeheim lächelte sie.
Max wurde ernster. »Nein, ehrlich, ich wollte dich fragen, ob du nicht am 1. Mai meinen Geburtstag mit mir feiern möchtest. Ein bisschen Vergnügen kann doch nicht schaden … Ich bin allein, fern der Heimat, vergiss das nicht …«
»Am 1. Mai? Das ist Samstag. Tut mir leid, da hab ich schon tausend Sachen vor.«
Max schwieg enttäuscht.
»Aber …« Julias Streichelstimme schaltete auf samtweich. Eigentlich hatte sie schon überlegt abzusagen. Wahrscheinlich kam zu dieser Party bei Bekannten in Bad Zwischenahn auch ihr Ex Lutz mit seiner neuen Flamme. »Ich hab eine Einladung zum Tanz in den Mai am Freitagabend. Du könntest mich begleiten, und wir feiern in deinen Geburtstag hinein.«
Max strahlte über das ganze Gesicht. »Wunderbar!«
Im Rhododendronpark Gristede verliebte Max sich in einen Rhododendron yakushimanum. Das kleinwüchsige Gehölz stammte von einer japanischen Insel und war erst in den Dreißigerjahren des vergangenen Jahrhunderts entdeckt worden. Seine Blüten, als Knospen rosa, später weiß, galten auch unter Kennern als perfekt geformt. Er vertrug, was sehr ungewöhnlich war, sogar direkte Sonne und glänzte auch außerhalb der Blühzeit mit dem silbrigen Flaum unter den Blättern durch besonderen Charme.
Von weitem erkannte Max jenseits einer Rasenfläche mit Teich und einem neuen, großzügigen Glaspavillon Mr Douglas. Sie winkten sich kurz zu.
Dieser Park mit Schaugarten gehörte zur Baumschule Johann Bruns, der größten Baumschule Europas, die auch die Champs Élysées mit Platanen und die Villengärten russischer Oligarchen mit ausgewachsenen Laubbäumen versorgte. Er wirkte auf Max modern, repräsentativ, effizient. Der Straßenlärm störte ihn, als er durch einen Nadelmischwald mit chinesischen Mammutbäumen, japanischem Ahorn und alten Kiefern
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