Die Rose von Darjeeling - Roman
über den weich federnden Boden ging. Doch die Vielfalt an großblütigen Rhododendren und an Freilandazaleen beeindruckte ihn. Max nahm gelegentlich spaßeshalber Haltung an, als er mit den Bruns-Züchtungen, die Namensschildchen trugen, eine wahre Promigalerie abschritt. Offenbar liebte man es, neue Hybriden nach Präsidenten oder ihren Gattinnen zu benennen, was auf Gegenliebe zu stoßen schien, denn alle Namensgeber hatten, wie ebenfalls vermerkt war, »ihren« Rhodo persönlich feierlich getauft.
Auf dem Rückweg erwarb Max in einer Baumschule einen kleinen eingetopften yaku, wie die Verkäuferin ihn kurz nannte. Noch blühte er nicht, aber er war mit Knospen übersät. Die Verkäuferin versicherte, er könne problemlos auf dem Balkon gehalten werden. Max nahm sich vor, ihn auf die Dachterrasse seines Londoner Penthouses zu stellen. Sein erster eigener Rhododendron. Jetzt war er wohl tatsächlich infiziert.
Seine Errungenschaft passte gut in eine etwas größere Plastiktüte. Damit schlenderte Max stolz durch die Reihen anderer zum Verkauf angebotener Gehölze. Interessant, wie gemischt auch das Publikum war. Die Leidenschaft für Rhododendren ging offensichtlich durch alle Schichten und Nationalitäten. Max sah Leute, denen er den Besitz eines Privatparks zutraute, und solche, die vielleicht nur einen Schrebergarten gepachtet hatten. Er hörte Japaner, Polen und Engländer sprechen. Max setzte sich auf eine Bank, um sich Notizen zu machen. Auch einige Fragen, die er Hein stellen wollte, schrieb er auf. Beschwingt und in Vorfreude auf seine Verabredung mit Julia machte er sich schließlich auf den Weg zum Parkplatz. Im letzten Moment bemerkte er, dass er seinen neuen Schützling auf der Bank hatte liegen lassen und kehrte schnell um. Erleichtert sah Max, dass seine Tüte noch dalag.
In seinem Zimmer, das über einen kleinen Balkon verfügte, öffnete Max die Tüte, um seinen yaku nach draußen zu stellen. Bei Licht und Luft würde er sich dort problemlos bis zu seiner Abreise halten, danach sollte er, das hatte man ihm geraten, in einen etwas größeren Topf umgepflanzt werden. Doch in der Plastiktüte lag kein Rhododendron yakushimanum, sondern nur ein Bündel diverser Rhododendronzweige, ein nasses Handtuch und zerknitterte Pläne, ihm unverständliche Computerausdrucke in einer slawischen Sprache. So ein Mist! Er hatte offenbar seine mit einer für den Müll bestimmten Tüte vertauscht. Max ärgerte sich. Wahrscheinlich war sein kleiner Rhodo längst als Abfall entsorgt worden. Er warf das Zeug weg. Und tröstete sich damit, dass er hier an der Quelle saß. Am nächsten Tag konnte er sich einen Ersatz besorgen.
Sein Blick fiel auf das Frotteetuch, mit dem Julia sich abgetrocknet hatte. Max hatte es mit hochgenommen und nachlässig auf sein Bett geworfen. Er griff es sich und schnupperte daran. Wie gut es roch! Nach Frau und Frühling, nach Rose und Kamille und pfeffrigem Ingwer … Auf Jersey, am Leuchtturm von Corbière, gab es eine Bucht mit wilden Kräutern. Wenn nach einem Sommerregen die Sonne darauf schien, stiegen betörende Aromen auf – daran erinnerte er sich jetzt. Max warf sich aufs Bett. Er streckte seine langen Beine aus und legte sich das Tuch mit Julias Duft übers Gesicht.
»Ich will ja nichts gesagt haben, Julia, aber irgendwie kommt mir dieser Engländer seltsam vor. Mit dem stimmt was nicht …« Hein sah Julia aus seinen treuen Augen an. Er war vielleicht etwas ungebildet, aber nicht dumm.
»Ach, was«, wehrte sie ab.
»Nee, das haben andere auch schon gemerkt«, beharrte Hein. »Max ist kein Zeitungsfritze, glaub mir das. Wenn der man nicht spioniert …«
»Wie bitte? Das ist doch lächerlich!«
»Doch, wahrscheinlich für die Konkurrenz, für eine englische Baumschule. Der schnüffelt rum. Er will rausfinden, woran wir hier arbeiten, rein züchterisch.«
Julia schüttelte heftig den Kopf.
»Oder er gehört zur Internationalen Jury …«
»Warum sollte er dann schnüffeln? Das ergibt doch keinen Sinn.«
Natürlich war Julia nicht entgangen, dass Max’ Rhodowissen extrem schwankte. Mal kannte er sich in Spezialfragen besser aus als mancher Fachmann, dann wieder verhaspelte er sich oder ließ ungewollt erkennen, dass er von den einfachsten Grundregeln des Gartenbaus keinen Schimmer hatte.
»Ach, Hein… Meine Freundin Louise in Hamburg, die Redakteurin, behauptet immer, dass man einen echten Journalisten an seinem gesunden Halbwissen erkennt.« Julia zog den Verdacht ins
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