Die Rose von Darjeeling - Roman
Blütezeit ihre Gartenpforte für Besucher öffnen. Die Adressen finde ich für dich raus.«
Max holte Julia vom nächsten Tag an jeden Morgen um Viertel vor sechs ab. Anfangs fluchte Julia über ihren Muskelkater, Max war eindeutig in besserer Kondition, doch schon nach einer Woche freute sie sich auf ihren Frühsport und nannte Max ihren Personal Coach. Sie stöpselte sich auch keine Musik mehr in die Ohren, wie in den ersten Tagen, sondern genoss nach Max’ Intervention den Gesang von Amsel, Drossel, Fink und Star.
Tagsüber klapperte Max die ultimativen Rhododendrontipps ab, damit er Julia am nächsten Morgen etwas über seine Recherchen berichten konnte. Zwei- oder dreimal begegnete er Mr Douglas wieder, der offenbar eine ähnliche Rundreise wie er unternahm. Sie unterhielten sich immer ein wenig und tauschten Empfehlungen für Sehenswürdigkeiten aus oder für Lokale, in denen man anständig Tee trinken konnte.
Bald wurde der künftige Buchautor von einem hilfsbereiten Rhododendronexperten zum nächsten gereicht. Das Ammerland, aber auch Orte im benachbarten Ostfriesland waren schließlich voll davon. Alle versorgten ihn mit kleinen Anekdoten. Ab und zu begleitete Julia ihn. Max lernte nun eine andere Seite der Region kennen, nicht die bäuerliche, sondern eine sehr kultivierte.
Julia registrierte, dass Max ausgezeichnete Umgangsformen hatte, und ihr gefiel, dass er seine Manieren nicht benutzte, um andere Menschen damit zu beschämen. Er bewegte sich leicht schlaksig, mit lässiger Eleganz und Weltläufigkeit. In ihrer Nähe allerdings stolperte er, stieß gegen Tischkanten und Schränke, verschüttete Kaffeesahne und kippte Vasen um, er vergaß, was er sagen wollte, und wiederholte sich manchmal wie ein Grenzdebiler.
Max fehlte auch bei keinem Schweinerennentraining. Schon beim dritten Mal grüßten ihn die Nachbarn wie einen alten Bekannten. Einmal half er Gerda, sich von dem aufdringlichen Jürgen loszueisen.
»Dass der es überhaupt noch wagt, hier aufzukreuzen«, schimpfte sie. »Hein hat ihm doch schon eine klare Ansage gemacht.«
Manchmal traf Max »zufällig« Julia, manchmal nicht. Dann nutzte er die Gelegenheit und entlockte Hein Informationen über Julia. Und zu Rhododendren, getarnt als Fangfragen. »Sag mal Hein, du kennst dich ja wirklich gut mit Rhodos aus, nicht? Was ist noch mal …?« Mit den Antworten glänzte er am folgenden Tag Julia gegenüber. Manchmal glaubte Max schon selbst daran, dass er dieses Buch schreiben würde.
Begeistert wandelte er durch den versteckt liegenden privaten Maxwaldpark bei Westerstede. Nicht nur wegen seines Namens fand er ihn besonders sympathisch. Er galt als ältester Rhododendronwaldpark, und falls es Kobolde und Waldgeister gab – hier lebten ganz gewiss welche! Auch als Laie erkannte Max, dass es sich um ein Kleinod der Gartenkultur handelte. Überall malerische Motive: Fingerhut und Bluebells, rankende alte Rosen, ein Laubengang aus Linden, der zum duftenden Kräutergarten führte. Auf dem Moosrasen des Taxusgartens blühte noch ein Meer von gelben und weißen Osterglocken. Der Besitzer war ein Privatgelehrter, der kulturhistorische Standardwerke über Parks und Backsteinbauten der Region verfasst hatte und Max bereitwillig Auskunft gab.
Wenn Max außerhalb des Landkreises Ammerland recherchierte, kam er sich oft vor wie der Mann, der nachts im Schein einer Straßenlaterne nach seinem Schlüssel suchte, weil es dort so schön hell war, obwohl er ihn ganz woanders verloren hatte. Doch gewissenhaft arbeitete Max weiter seine Liste ab. Er fuhr nach Wiesmoor, an einem schnurgeraden kilometerlangen Kanal entlang, wo riesige moderne Gewächshausanlagen industriellen Charakter hatten. Bei einem anderen Tagesausflug holte er sich unter der Riesenkuppel des Botanika-Treibhauses neben dem Bremer Rhododendronpark jede Menge naturwissenschaftlichen Background. Allmählich dämmerte ihm, dass er sich die variantenreichste Pflanzengattung auf dem Erdball ausgesucht hatte.
Max streifte durch den Park der alten ostfriesischen Häuptlingsburg Lütetsburg nahe der Stadt Norden, wo sich Rhododendrongruppen in Gewässern spiegelten, die einen kleinen Privatfriedhof umschlossen, der die »Insel der Seligen« genannt wurde. Auch hier hatten oldenburgische Hofgärtner namens Bosse, der Halbbruder und ein Sohn des ersten Bosse, wunderbare Blickachsen angelegt. Vom künstlich aufgeschütteten Unico-Hügel aus konnte Max sogar die Nordsee sehen. Er entdeckte
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