Die Rose von Darjeeling - Roman
war … Er nahm sie in die Arme. Er fühlte sich sehniger und kompakter an als Carl, sein ganzer Körper stand unter Hochspannung. Der Geruch von gebügelter Baumwolle und Sandelholz, vermischt mit Schweiß, stieg Kathryn in die Nase. Sie schloss die Augen. Die erste Berührung ihrer Lippen durchfuhr sie beide wie ein Stromschlag. Die Tabletten rutschten aus dem Röllchen, hüpften klackernd über den Boden. Gustav küsste Kathryn leidenschaftlich, heftig und rücksichtslos. Er presste seine Lippen hart auf ihre, bohrte seine Zunge in ihre Mundhöhle, stieß zu – es war atemberaubend, überwältigend und Fleischeslust pur. Sie schmeckte etwas warmes Salziges, Blut.
Nein, er war es auch nicht. Daran hätte ich mich erinnert, war das Letzte, was sie dachte.
Schweren Herzens war Carl eine weitere Nacht im Hotel Windamere geblieben, weil es sehr danach ausgesehen hatte, dass er in einen Wolkenbruch geraten würde. Gäste, die aus dem Westen kamen, waren bereits durchnässt.
Es ärgerte ihn, als er morgens feststellen musste, dass der Monsun doch noch auf sich warten ließ. Wenigstens brauchten die anderen dann aber auch heute auf der Strecke zwischen Geestra Valley und Darjeeling noch nicht Unterspülungen und Schlamm zu fürchten. Er ging zum Bahnhof, um dem Aufseher letzte Anweisungen und ein gutes Trinkgeld für die Betreuung seiner Rhododendren zu geben.
Die ganze Zeit über dachte Carl an Kathryn. Er versuchte, sich in ihre Situation zu versetzen. Welche Gedanken, welche Gefühle mochten sie jetzt bewegen? Wie würde sie sich entscheiden?
»Kathryn!«, stöhnte Gustav.
Er presste sie an sich, spürte ihre Brüste durch ihre dünne Bluse und verlor den Verstand. Ihre Taille unter seiner Hand, ihr duftendes Haar, ihre vollen, halb geöffneten Lippen – alles an ihr erregte ihn. Die Frau, die er liebte, nach der er sich verzehrte, wehrte ihn nicht ab. Sie ließ seine Berührungen auch nicht nur über sich ergehen, sondern reagierte mit ebensolcher Glut. Überwältigt von Begierde und Verzücken drückte er sie keuchend gegen die Wand.
»Du willst es auch!«, stieß er hervor. Jede ihrer Bewegungen, jeder Laut, der ihr entfuhr, bewies es ihm.
Er hob sie hoch, trug sie zum Bett in das kleine Zimmer nach nebenan. Sein Herz besaß sie längst, jetzt gab er ihr sein ganzes Sein. Gustav erlebte Momente größter Seligkeit.
Er drang in sie ein, und als sie ihn umschloss, spürte er nur die Gegenwart, wusste nichts mehr von Vergangenheit und Zukunft.
Kathryn, feucht von Schweiß und Lust, war nicht mehr bei Verstand.
Am nächsten Morgen reichte Kathryns Erinnerung an den Abend mit Gustav gerade bis zum Kuss. Eine kleine verletzte Stelle an ihrer Lippe sprach ja auch Bände. Wie sie in ihr Bett gelangt war, wusste sie nicht. Sie hatte einen ziemlich wilden Traum gehabt, der körperlich sehr aufregend, ja erregend gewesen war, aber Näheres bekam sie nicht mehr zusammen. In ihrem Kopf hämmerte eine Hundertschaft kleiner Bauarbeiter. Sie fühlte sich grauenvoll.
Auf ihrem Nachttisch lagen Kopfschmerztabletten. Sie tapste ins Bad, spülte mit einem Glas Wasser zwei Tabletten herunter und hoffte auf Besserung. Sie warf sich ihr blaues Kleid über. Die Luft schien zu stehen, draußen vor dem Fenster regte sich kein Blatt. Immer noch hingen dunkle Wolken über dem Tal.
Als sie den Salon betrat, sah Kathryn, dass Gustav und ihr Vater schon gefrühstückt hatten. Ihr Vater sei schon in der Manufaktur, sagte Jay. Sie wunderte sich. Aldous Whitewater steckte in diesen Tagen den Kopf eigentlich lieber in den Sand. Entweder betrank er sich in seinem Zimmer und lief mit nackten Beinen in Lodenmantel und Gummigaloschen durchs Haus, oder er beaufsichtigte die Second-Flush-Ernte wie immer, als stünde der Ruin nicht unmittelbar bevor.
»Dieses Jahr hat unser Tee wieder ein prächtiges Muskateller-Aroma!«, rief er ihr über den Lärm der Rollmaschinen zu.
Kathryn war klar, dass er nicht anders konnte, er hatte kein anderes Verhalten gelernt.
»Bringst du Gustav und mich gleich nach Darjeeling?«, rief sie zurück.
Kathryn fand Gustav beim Packen im Gästehaus, Chandra klappte gerade Carls Koffer zu und brachte ihn dann nach draußen.
»Das Gepäck bitte in den Austin Heavy«, sagte sie, »mein Vater fährt uns.«
Gustavs Augen blitzten auf, als er sie in der Tür stehen sah. Sein Körper reagierte sofort, er wäre am liebsten auf der Stelle über sie hergefallen, um sie wieder und wieder und wieder zu lieben. Mit
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