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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Geschäften, Reisen, der Jagd auf Raufußhühner oder Tiger, dem Besuch von Debütantinnenbällen und, seltener, von Bordellen. Seine Zeit verging ohne Herzbewegendes. Was durchaus in seinem Interesse lag. Erschütterungen trachtete er zu vermeiden. Doch Kathryn rührte etwas in ihm an. Er sah Anmut und Süße in ihrer jugendlichen Erscheinung, viele gute Anlagen kombiniert mit einem reizvollen Eigensinn. Deshalb war er fest entschlossen, sie mit sehr viel Geduld zu formen.
    Nachdem Kathryn ihn Wochen zuvor versetzt hatte und nicht zur verabredeten Spazierfahrt zum Botanischen Garten erschienen war, hatte er sich kaum noch Hoffnungen gemacht. Er hatte sich auch keineswegs eingebildet, dass sie seinen Antrag annehmen wollte, weil sie von seiner Erscheinung überwältigt wäre. Wahrscheinlich beeindruckte sie selbst der gesellschaftliche Aufstieg in die Welt der Aristokratie weit weniger als die meisten anderen Frauen. Was in seinen Augen ihre Attraktivität zusätzlich steigerte. Kathryn dachte fortschrittlich. Deshalb glaubte sie, dass sie nicht zwangsläufig den Anweisungen Älterer folgen müsste, sondern mutig tun sollte, was ihr selbst als das Richtige erschien. Vor allem glaubte sie tatsächlich, dass sie die Zügel für ihr Leben allein in die Hand nehmen könnte.
    Die erneut geplante Spazierfahrt in den Botanischen Garten fiel wegen des Monsuns ins Wasser. Der Lord konnte es aber nicht abwarten, Kathryn zu treffen, um letzte Gewissheit zu bekommen, und bat sie, mit Mrs Apple als Anstandsdame, zu sich in die von ihm gemietete Villa.
    Kathryn trug an diesem Tag ein hellgrünes Sommerkleid aus Crêpe Georgette, das sie noch blasser machte, als sie ohnehin schon war. Sie fühlte sich erschöpft und seltsam von sich selbst entfremdet. Als sähe sie einen Spielfilm, in dem eine Frau ihre Rolle spielte. Diese fremde Frau sprach höflich mit Mrs Apple, als sie nebeneinander im Fond der Limousine saßen, die Lord Taintsworth ihnen geschickt hatte. Sie fragte, was für ihre Mutter Annabella das Wissen um ihre leibliche nepalesische Mutter Bina bedeutet habe.
    Marya Apple wusste nicht viel darüber. »Ich glaube, sie hat sich nicht dafür geschämt. Sie hatte ja ihre Kinderfrau aus Nepal sehr lieb. Aber sie verschwieg es, weil sie wusste, dass ihre Herkunft einen gesellschaftlichen Makel bedeutete, auch für ihren künftigen Ehemann, deinen Vater. So ließ sie einfach alles beim Alten.«
    »Weshalb wollte sie dann, dass ich den Brief bekomme?«
    Marya Apple räusperte sich. »Sie hat ihn mir nicht direkt für dich gegeben. Sie rechnete ja lange noch nicht mit ihrem Tod. Sie vertraute ihn mir lediglich zur Aufbewahrung an, damit er in Geestra Valley nicht durch einen dummen Zufall einmal in unbefugte Hände geriete. Aber ich kannte sie doch recht gut und glaube, dass ich in ihrem Sinne gehandelt habe.«
    »Lebt der Anwalt noch, der den Brief geschrieben hat?«
    »Nein, es sei denn, er wäre inzwischen über hundert Jahre alt. Ich erinnere mich an ihn. Als ich ein Kind war, ging er bereits am Stock.«
    »Oh, wir sind da.«
    Marya Apple schaute Kathryn liebevoll an. »Schade, dass wir keine Tochter haben. Drei Söhne … das ist schon was Besonderes, aber mit Töchtern kann man einfach anders reden.« Sie lachte auf. »Na ja, die Schwiegertöchter werden ja hoffentlich noch kommen …« Dann zeigte sie doch ein wenig Sentiment. »Ich hoffe von Herzen, dass du die richtige Entscheidung triffst. Für deinen Vater bist du auf jeden Fall ein Segen.« Sie küsste Kathryn auf die Stirn. »Ich werde mich gleich dezent im Hintergrund halten«, Marya Apple zwinkerte vielsagend, während der Butler des Lords ihnen mit einem großen Schirm entgegeneilte und die Wagentür aufriss.
    Tatsächlich bewunderte Mrs Apple wenig später im Salon ausgiebigst die Sammlung feinen Knochenporzellans von Wedgwood. Der Lord führte Kathryn in den Wintergarten.
    Das Licht zahlreicher Kerzenleuchter schimmerte durch das üppige Grün ausgewählter Pflanzen, das monotone Prasseln auf dem Glasdach verriet, dass es sich eingeregnet hatte. Sie gingen umher, plauderten ein wenig über die Orchideenzucht des Lords und die Vorzüge eines Wintergartens.
    Dann blieb Lord Taintsworth abrupt stehen. »Haben Sie es sich überlegt? Wollen Sie meine Frau werden?«, fragte er, als ob er Angst habe, sich später nicht mehr zu trauen.
    Kathryn antwortete ernst. »Ja, ich will.«
    Er kam näher, und sie befürchtete, dass er sie jetzt küssen wollte. Sie sah die

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