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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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niemals. Bitte, sprich es nicht aus!
    Doch sie öffnete den Mund. »Ich … ich kann dich nicht heiraten.«
    Carl brachte keinen Ton heraus. Genau das hatte er befürchtet. Er hatte es nicht wahrhaben wollen und auf eine wundersame Wendung gehofft.
    Jähzorn flammte in ihm auf. »Nein!« Nackt sprang er aus dem Bett. »Dein Vater hätte dir verbieten sollen, mich zu heiraten!«, brüllte er zornig vor Enttäuschung. »Dann wärst du mit mir durchgebrannt!«
    »Carl, bitte …« Ihre Mundwinkel zuckten.
    Ein Blick in ihre Augen bestätigte ihm: Sie hatte ihre Entscheidung als erwachsene Frau getroffen, in eigener Verantwortung, wohl überlegt. Wie entsetzlich!
    Bei all seinen Gedanken um Kathryn war Carl schon vorher klar geworden, dass sie sich so entscheiden musste. Ja, sie wäre nicht seine Kathryn gewesen, wenn sie alles, ihren Vater und die Menschen in Geestra Valley in ihrer Notlage einfach hinter sich gelassen hätte, um mit ihm zu gehen.
    Carl schwieg.
    Ihre Augen flehten. »Bitte, verstehst du das? Verzeihst du mir?«
    Er machte einen schweren Schritt auf sie zu. Und noch einen. Mit herabhängenden Armen stand er nun ganz nah vor ihr. Sie spürte seinen Atem, seine Körperwärme, sie sehnte sich schon wieder angespannt nach seiner Umarmung. Ohne sie fühlte sie sich unvollständig. Aber er nahm sie nicht in die Arme, was kaum auszuhalten war und ihr als Vorbote der Qualen erschien, die sie erwarteten.
    »Ich verstehe es, Kathryn … Das macht es ja so schwer …«
    Seine Augen schimmerten dunkel vor Schmerz. »Und ich liebe dich dafür nur noch mehr.«
    Kathryn hatte nicht die Kraft, Carl und Gustav mit vielen Worten alles Gute für die Reise zu wünschen. Um vier Uhr waren sie startklar, und Tinley warf den brummenden Motor an. Gustav saß neben ihm, Carl wollte hinten auf der Ladefläche reisen. Allein.
    »Ist auch alles gut verschnürt?«, fragte Aldous Whitewater, um seine Rührung zu verbergen. »Nicht dass da eine Kiste verrutscht in den Serpentinen.«
    »Leb wohl.«
    Kathryn legte Gustav einen weißen Segensschal um. Er strich ihr zärtlich über die Wange, seine Augen glühten. Carl beobachtete die vertrauliche Geste befremdet. Er und Gustav maßen sich in einem eifersüchtigen Blickduell.
    »Bitte bleibt Freunde«, flüsterte Kathryn, als sie Carl den Schal umlegte. »Leb wohl, Carl!«
    »Auf Wiedersehen!«
    Aldous Whitewater und seine Tochter blieben für die Nacht im Planters’ Club. Sofort nach dem Dinner zog sich Kathryn in ihr Zimmer zurück. Du musst es gleich tun, sagte sie sich und holte aus einer Schachtel einen Bogen ihres feinsten Briefpapiers hervor.
    Lieber Lord Taintsworth, schrieb sie mit königsblauer Tinte in schwungvoller Schrift, e s würde mich freuen, wenn wir unseren verschobenen Besuch im Botanischen Garten bald nachholen könnten. Da sie seinen Heiratsantrag nicht ausdrücklich ablehnte, war dies praktisch ein Ja.
    Kurz nachdem sie den Boy mit ihrer Botschaft losgeschickt hatte, begann der Himmel zu grollen. Einzelne schwere Tropfen platschten gegen das Fenster. Der Strom fiel wieder einmal aus. Die grünlich graue Atmosphäre verdunkelte sich zusehends unter graphitschwarzen Donnerwolken. Kathryn verzichtete darauf, eine Kerze anzuzünden. Sie trat hinaus auf die Galerie vor ihrem Zimmer und hielt das Gesicht in den Regen. Der Sturm peitschte ihr Haar, zerrte an ihrer Kleidung, sie suchte mit dem Rücken Halt an der Mauer. Irgendwo schlug Wellblech gegen einen Mast. Vor Aufregung kreischende Mütter holten ihre Kinder ins Haus.
    Jetzt brach das Unwetter mit voller Wucht los. Innerhalb weniger Minuten schossen Sturzbäche die Straßen herunter, und der Verkehr kam zum Erliegen. Die Götter schleuderten ihre Blitze auf Darjeeling, wie Zornesadern zuckten sie über den Bergen. Der Regen glich nun einem Wasserfall. Zwischen Blitz und Donner lagen nur noch Sekunden. Kathryn sank ganz langsam zu Boden, durchnässt bis auf die Haut. Direkt über ihr krachte es markerschütternd.
    Kathryn weinte hemmungslos.
    Kathryns Brief löste bei Lord Taintsworth bange und hoffnungsvolle Erwartung zugleich aus. Sie hatte ihm geschrieben und seiner Einladung zu einem Ausflug zugestimmt. Er wusste es zu würdigen, dass ihm tatsächlich noch eine Chance gewährt wurde. Im besten heiratsfähigen Alter hatte er einmal aus Standesdünkel zu lange gezaudert und eine große Liebe verloren. Die folgenden Jahrzehnte verflogen mit harmlosen Romanzen, Pflichtterminen an der Seite seiner Mutter,

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