Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
Vom Netzwerk:
anhielt, gesagt: »Wenn man will, dass sie etwas tut, braucht man es ihr nur zu verbieten.«
    Der Lord ließ sich in seinen Lesesessel fallen und schnaufte.
    »Alfred«, sagte Kathryn. »Es ist doch verrückt. Zuerst haben wir Berlin bombardiert, dann haben sie als Vergeltung unsere Städte angegriffen. Und so geht’s nun immer weiter … Vergeltung ist die dümmste Erfindung der Menschheit. Da gibt es nie einen Anfang und ein Ende, und immer fühlt sich jeder im Recht.« Ihr Mann wollte widersprechen, aber Kathryn fuhr fort. »Nach dem, was ich heute erlebt habe, steht mein Entschluss fest. Wir bringen Belle aufs Land zu deiner Schwester, und ich bleibe hier. Ich will dich unterstützen. Und außerdem werde ich einen Schwesternhelferinnenkurs machen.«
    Kathryn blickte ihren Mann entschlossen an. Er wusste, Widerspruch war zwecklos.

Ostfriesland – Bremen
    1940 bis 1942
    Gustav meldete sich freiwillig zu den Gebirgsjägern, wurde aber als UK , unabkömmlich, eingestuft. Er hatte sich weiter um die Bezugsscheine für Tee zu kümmern. Es gab viel zu organisieren. Teeimporteure mussten ihre Bestände an die Heeresversorgungsstellen abgeben. Vorräte der Teeeinzelhändler waren zur geregelten Verteilung an bestimmte Firmen abzuliefern. Gustav fuhr einmal pro Woche mit dem Zug nach Leer, um in der eigenen Firma nach dem Rechten zu sehen. Zunehmend genoss er diese Ausfahrten zurück in seine alte Heimat. Zum einen, weil der trockene Humor und die Tiefstapelei der Ostfriesen einen wohltuenden Gegenpol zum hochnäsigen provinziellen Hanseatentum der Bremer Kaufleute bildeten, zum anderen, weil ihm Ivy das Leben zur Hölle machte. Sie spielte permanent die Beleidigte. Der Dauerflunsch hatte sich tief in ihre einst attraktiven Gesichtszüge eingegraben. Vom Mund führten zwei Falten zum Kinn, die Gustav selbst dann, wenn sie nicht klagte oder auf feine Art stichelte, stets vermittelten: Ich hab mir das alles anders vorgestellt, das Leben hatte mir so viel mehr versprochen, und auch du hast mich enttäuscht!
    An einem späten Sonntagnachmittag im Herbst 1940 machte Gustav dennoch einen Versuch. Er öffnete einen guten Moselwein, den Ivy gerne trank. Das Feuer im Kamin prasselte gemütlich, der Blick aus ihrem repräsentativen Wohnzimmer auf den Park zeigte, dass er es zu etwas gebracht hatte. Ivy trug einen chamoisfarbenen seidenen Hausanzug mit passenden Pantöffelchen und übte zum Wunschkonzert der Wehrmacht, das aus dem Volksempfänger klang, Tanzschritte, die sie neulich im Kino bei Lilian Harvey gesehen hatte. Von hinten trat Gustav an sie heran. Er reichte Ivy mit der Rechten das Weinglas, legte seine andere Hand auf ihren Unterleib und presste sie an sich. Sie spürte seine Erregung, langsam und verächtlich schob sie seine Hand von ihrem Körper.
    »Hella kann jeden Augenblick vom Spielen zurückkommen.«
    Die Männer ihrer Freundinnen befanden sich alle im Feld, einige als hochrangige Offiziere, einige waren schon befördert worden – blendende Erscheinungen in ihren Uniformen. Wie hatte sie sich doch getäuscht in Gustav. Für einen Helden und Abenteurer hatte sie ihn gehalten. Jetzt hockte er in seinem Teekontor, während andere ihr Leben riskierten.
    Ivy ließ ihn nur noch selten in ihr Bett. Sie wusste, dass er sich nichts so sehr wünschte wie einen Sohn. Nur deshalb wollte er mit ihr schlafen, und nicht etwa, weil er sie liebte oder verführerisch fand. Das kränkte sie als Frau, und darum verweigerte sie sich. Sie wusste, dass er einmal unsterblich in eine andere verliebt gewesen war. Manchmal im Schlaf murmelte oder stöhnte er undeutlich einen Namen.
    Gustav begriff Ivys Verhalten nicht. Er bot ihr doch alles, was sie sich nur wünschen konnte. Dass sie nicht mehr umschwärmt wurde wie vor fünfzehn Jahren in Berlin, das lag doch in der Natur der Sache. Aber sie führten ein großes Haus, hatten Personal. Es gab kaum einen wichtigen Empfang in der Region, zu dem sie nicht eingeladen wurden.
    Doch neuerdings quälte sie ihn auch noch mit aus der Luft gegriffenen Beschuldigungen. »Du gehst fremd!«, kreischte sie jetzt wieder. »Gib’s endlich zu! Du treibst es mit so einer rotblond gelockten, sommersprossigen Schlampe! Mit einer, die leicht zu unterhalten ist und die über alles lacht, was du sagst!«
    »Nein!« beteuerte Gustav wahrheitsgemäß. »Ich betrüge dich nicht, Ivy.«
    »Aber ich weiß es genau.«
    »Wie kannst du etwas wissen, das nicht existiert?«
    »Ich habe sie im Traum gesehen!«,

Weitere Kostenlose Bücher