Die Rose von Darjeeling - Roman
sahen viele tatsächlich genauso aus, wie Max sie beschrieben hatte. Ach … Und der Tango war wirklich sensationell sinnlich gewesen … Julia beschloss, Max zu verzeihen, wenn er sich wieder meldete.
Und wenn er es nicht tat? Sie spürte einen scharfen Schmerz in der Brust. O nein, bitte nicht! Gerade war sie fertig mit Lutz. Endlich! Bloß keinen Liebeskummer jetzt, nicht schon wieder. Sie schob die Gedanken beiseite.
»Nein, so nicht!«
Julia korrigierte ihren Gärtnergehilfen, gab weitere Anweisungen und besprach mit dem Elektriker, wie er die Beleuchtung installieren sollte. Als sie die Aufbauten in den Zelthallen inspizierte, klingelte ihr Handy.
Es war nicht Max, wie sie gehofft hatte. Sondern Louise, ihre Freundin aus Hamburg. »Hallo, Süße! Es gibt tatsächlich in dem Verlag einen Max Whitewater. Er schreibt öfter für das Reisemagazin, steht aber auch im Internetimpressum von Park & Garden. Obwohl er für die, soweit ich feststellen konnte, bislang noch nichts geschrieben hat. Seine Reiseberichte sind klasse. Der Typ hat Witz und einen guten Stil.«
Julia fiel ein Stein vom Herzen. »Vielen, vielen Dank!«
»Das Einzige, was ich persönlich etwas seltsam finde«, merkte Louise noch an, »ist, dass bei Whitewaters Geschichten nie ein Foto vom Autor steht. Normalerweise zeigt man gern so was wie ›Unser Autor auf den Pyramiden‹ oder ›Unser Mitarbeiter beim Baden im Toten Meer‹ …«
»Hmm. Na ja. Vielleicht ist er nicht eitel.« Aber das glaubte Julia eigentlich doch eher nicht. Max war durchaus eitel. »Ach, ist auch nicht so wichtig, vielleicht ein Zufall.« Hauptsache, es gab ihn, den Journalisten Max Whitewater.
Wenn Julia aus ihrem Schlafzimmer sah, schaute sie auf eine Rhododendronhecke. Sie hatte einen angerosteten Tisch und einen alten Gartenstuhl davorgestellt, die sie gern als Stillleben passend zur Jahreszeit dekorierte. Neben dieser Hecke konnte sie, wenn sie die Gardine zur Seite schob, auf den Parkplatz gucken.
Doch auch am nächsten Morgen stand dort kurz vor Sonnenaufgang kein VW -Golf. Enttäuscht zog Julia die Gardine wieder vor. Allein zu joggen machte ihr keinen Spaß. Lieber wollte sie ihre Lieblinge begutachten.
Sie ging zum kleinen Gewächshaus, in dem Hein nach Absprache mit ihr die Ausstellungsrhododendren mit täglich neu bestimmter Temperatur ihrem optimalen Blütezustand entgegentrieb. Auch ihre Nachzüchtung der Rose von Darjeeling befand sich hier.
Als sie die Tür öffnete, kam ihr sofort irgendetwas ungewöhnlich vor. Beim Betreten der Halle merkte Julia, dass es viel zu warm war, geradezu bullig heiß! Und die Luft war furchtbar trocken. Entsetzt schaute sie sich um. Mehrere Rhodos standen in praller Blüte – so sollten sie doch erst in ein paar Tagen aussehen! Einige Azaleen wirkten sogar schon angewelkt, über ihren Höhepunkt hinausgereift.
» HEIN !«, brüllte Julia. Hein war noch nicht da. Sie riss Türen und Fenster auf, regelte die Temperatur.
Der gesamte Betrieb befand sich in Aufruhr, als Hein endlich eintraf. Er war fassungslos, konnte sich den Regulierungsunfall auch nicht erklären. »Es … es tut mir wirklich leid«, stammelte er. »Ich hab alles wie immer gemacht, wie besprochen …«
»Lass uns retten, was zu retten ist«, erwiderte Julia.
Sie gingen Pflanze für Pflanze durch, entschieden, welche ins Kalthaus sollte und welche noch wie viel Wärme vertrug. Hein kam am Abend wieder, um alles gemeinsam mit Julia ein zweites Mal zu kontrollieren.
»Ach, Hein«, fragte sie bei dieser Gelegenheit, »war Max eigentlich in letzter Zeit mal wieder beim Schweinerennen?«
»Nee, den ganzen Mai hab ich ihn noch nicht gesehen. Isser wech?«
»Keine Ahnung. Verabschiedet hat er sich jedenfalls nicht.«
Julia überlegte, ob sie Max anrufen sollte. Vielleicht erwartete er von ihr eine Entschuldigung? So ganz fair war es sicher nicht gewesen, was sie ihm an den Kopf geworfen hatte. Aber nein, sie lief keinem Kerl hinterher! Und außerdem wollte er bis zur Rhodo bleiben. Spätestens bei der Ausstellung würde sie ihn wohl wiedersehen.
Max brauchte Zeit zum Nachdenken. Er unternahm lange, einsame Spaziergänge am Seeufer und versuchte, die Puzzleteile sinnvoll zusammenzufügen. Es war doch gut möglich, dass seine Großmutter Kathryn und Julias Großvater Carl ineinander verliebt gewesen waren und eine Affäre gehabt hatten. Vieles deutete darauf hin. Sein Vater war 1931 geboren – vielleicht war er sogar der Sohn von Carl Jonas … Hieß
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