Die Rose von Darjeeling - Roman
die Täter finden würden.
»Haben Sie eventuell einen Konkurrenten in Verdacht?«
Kreidebleich hockte Julia auf einem umgekippten Blumenkübel. »Das hat keinen Stil«, sagte sie. »So was macht man nicht in Züchterkreisen. Nein, das trau ich keinem unserer Konkurrenten zu.«
Ihre Mutter schaltete sich ein. »Aber diese Kriminellen, die Rhodos zu Dumpingpreisen in die Baumärkte bringen …«
»Was sollten die davon haben, Ihre Ausstellungsstücke kaputt zu machen?«, fragte ein Polizist.
Sein Kollege bemerkte trocken: »Günstige Preise sind an sich auch nicht strafbar …«
Ratlos schauten Julia und ihre Mutter sich an. Es stimmte, das machte keinen Sinn. Hein erzählte den Polizisten vom Preisgeld, das für die beste Nachzüchtung der Rose von Darjeeling ausgeschrieben war.
»Fünfundzwanzigtausend Euro für eine einzige Pflanze, das ist allerdings ein starkes Motiv«, meinte der Uniformierte. »Hat denn in letzter Zeit vielleicht jemand daran verstärktes Interesse gezeigt?«
Mehrere Augenpaare ruhten auf Julia. Ihre Mutter, Hein, der Obergärtner, die Gesellen und Gehilfen … Jeder hatte doch mitbekommen, dass Julia seit Wochen von einem neuen Verehrer umschwärmt wurde.
»Nein!«, sagte Julia entschieden. Das glaubte sie einfach nicht.
Die anderen schauten skeptisch. Doch keiner sprach aus, was er dachte.
Als die Polizisten und die Spurensicherung gegangen waren, machte Julia einen neuen Plan für die Ausstellung. Ob sie die Rose-von-Darjeeling-Nachzüchtung noch präsentieren konnte? Die Blüten hatten ziemlich gelitten und an Ausstrahlungskraft verloren.
Einige Ausstellungspflanzen befanden sich zum Glück im Kalthaus bei Temperaturen unter zwölf Grad, weil ihre Blütezeit hinausgezögert werden musste. Sie waren alle tadellos. Einige der Hitzeopfer ließen sich immerhin noch in der hinteren Reihe gut anschauen.
»Wir nehmen einfach mehr von den Azaleen draußen und setzen stärker auf die Farbeffekte«, beschloss Julia.
Entsprechend mussten ihre Leute nun alles umorganisieren. Ihre Highlights, einige neue Jonas-Hybriden, würden fehlen. Aber für Laien würde sich immer noch ein wunderschönes Gesamtbild ergeben.
»Julia«, sagte Hein, »du weißt, ich mag den Max. Aber findest du nicht, dass er sich verdächtig benommen hat? Sollten wir der Polizei nicht doch einen Tipp geben?«
»Ich denk darüber nach, Hein.«
Ihr war zum Heulen zumute. Deprimiert strich Julia durch den alten Jonas’schen Kiefernwald. Zwischen hohen Baumkronen fiel weiches Spätnachmittagslicht auf die Rhododendren darunter. Julia nahm die verborgenen Pfade, um möglichst niemandem zu begegnen, aber bei dem unfreundlichen Wetter waren ohnehin kaum Besucher im Park. Sie ging noch einmal alle Gespräche, die sie mit Max geführt hatte, durch. Es sprach einiges gegen Max. Eigentlich fast alles. Vielleicht war er doch nicht der Journalist, vielleicht hatte er nur dessen Namen benutzt. Und wieso meldete er sich seit dem 1. Mai nicht mehr? Das machte ihn doch verdächtig. Ein Regenschauer setzte ein. Da ließ auch Julia ließ ihren Tränen freien Lauf.
Zwei Tage lang hatten sie alle Hände voll zu tun mit der Bepflanzung. Am Samstag war die Eröffnung. Am Freitagnachmittag, als alle Vorbereitungen abgeschlossen waren, hatte Julia es satt, auf ein Lebenszeichen von Max zu warten. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Sollte er wirklich etwas zu tun haben mit den Sabotageakten? Es gab nur einen Weg, das herauszufinden. Sie musste ihn mit den Ungereimtheiten konfrontieren.
Entschlossen klopfte Julia eine Stunde später an Max’ Zimmertür. »Der junge Mann ist vorhin erst von seiner Reise zurückgekommen«, hatte die Pensionswirtin ihr gesagt. Wo war er wohl gewesen?
»Julia!«
Max strahlte sie an. Er zog sie ins Zimmer und wollte sie umarmen, aber sie wehrte ihn ab.
»Max, ich will jetzt die Wahrheit wissen! Was ist los, und wer bist du wirklich?«
Verlegen fuhr er sich durchs Haar. »Komm, setz dich.«
Julia ließ sich auf einem altmodischen Cocktailsessel nieder.
Max ging nervös auf und ab. »Also, die Sache ist folgende…«
Und dann, endlich, enthüllte er ihr seinen wahren Hintergrund: dass sein Vater Charles Taintsworth war, jener Lord, der 1991 die begehrte Prämie ausgelobt hatte. »Er ist inzwischen neunundsiebzig und versessener denn je darauf, die Blüten der Rose von Darjeeling noch einmal zu sehen.«
»Du hast mich also belogen!«, konstatierte Julia aufgebracht. Sie sprang auf. »Glaub nicht, dass
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