Die Rose von Darjeeling - Roman
heißes Bad nehmen und schlafen. Dass die Mistkerle geschnappt waren, die ihrer Branche schon so lange schadeten, war natürlich schön, und morgen würde sie bestimmt anfangen, sich darüber zu freuen. Die Sabotageakte in der Jonas’schen Baumschule erklärte das aber nicht.
»Was wolltest du vorhin sagen?«, fragte Max Julia in Erwartung dankbarer Worte, als sie in einen Wagen umstiegen, der sie nach Hause bringen sollte. Der Fahrer ließ schon den Motor an, die Scheinwerfer erhellten den Strand.
»Ach, nicht so wichtig.«
»Wenn du es mir in der Situation unbedingt sagen wolltest, war es bestimmt wichtig.«
»Vergiss es!« Nun hatte er sie so schön heldenhaft gerettet, da musste sie ihm den Hinweis jetzt nicht mehr geben. Max ging bis zum Ende des Parkplatzes, Julia folgte ihm seufzend. Von hier oben konnte man nun die Skulpturen im Watt gut erkennen. Max sah einen Holzsteg, nur knapp vom Wasser bedeckt, der direkt bis zur »Jade« führte.
»Sie hätten nicht mit mir schwimmen müssen, Mylord«, sagte Julia schnippisch.
So ganz hatte sie Max noch immer nicht verziehen. Sie wunderte sich allerdings, dass er kein bisschen verärgert reagierte. Im Gegenteil, Max schien stolz auf seine Rettungsaktion zu sein.
Er grinste nur frech. »Für eine schöne Nixe wie dich würde ich noch ganz andere Sachen machen.«
Cornwall – London
Juni 1951
Titus kam so schnell er konnte. Er untersuchte Kathryn und meinte schließlich: »Ich halte das Fieber für eine Folge der Aufregungen. Sie braucht Ruhe.« Seine Miene bekam einen listigen Ausdruck. »Ich werde euch für eine Woche unter Quarantäne stellen. Wegen des Verdachts auf Spanische Grippe. Die Inkubationszeit beträgt nur ein paar Tage, aber sicherheitshalber müsst ihr nun leider eine Woche allein im Gästehäuschen bleiben.«
Amtsarzt Dr. Titus Apple schickte hochoffizielle Telegramme an beide Familien.
»Warum hast du das gemacht?«, fragte Samantha ihren Mann.
»Nächstenliebe.« Er grinste. »Außerdem hätte in diesem Zustand keiner von beiden zu Hause ankommen dürfen. Ihre Familien hätten sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt.«
»Ach, und in einer Woche ist es leichter?«
»Dann können sie ihr seltsames Verhalten immerhin auf die Quarantäne schieben und auf die rätselhafte Erkrankung, die zum Glück doch nicht die Spanische Grippe war.«
»Titus, dich muss man lieben!«
Carl wachte die ganze Nacht neben Kathryn. »Alles wird gut. Ich liebe dich. Wir bleiben zusammen«, wiederholte er wieder und wieder. Schon am nächsten Tag war Kathryns Fieber verflogen.
Sie verbrachten die folgenden Tage damit, konkrete Pläne für ihre gemeinsame Zukunft zu machen. Das Ergebnis langer Diskussionen war der Plan, nach Kanada auszuwandern und in der Nähe der Niagara-Fälle eine auf Rhododendren spezialisierte Baumschule zu eröffnen, die hohe Luftfeuchtigkeit dort garantierte ein gutes Klima für Rosenbäume. Erst wenn Carl einen Geschäftsführer für seinen Familienbetrieb in Westerstede gefunden hatte, würde Kathryn ihre Familie in Kenntnis setzen. Sie befürchtete, dass die Trennung vor allem für Annabella ein großer Schock sein würde, aber sie wünschte sich doch, dass ihrer Tochter gerade die Debütantinnensaison als eine glückliche Zeit in Erinnerung blieb. Kathryn wollte in den kommenden Wochen in London bleiben und sie unterstützen. Sollte Alfred sie dort gelegentlich besuchen kommen, fände er abgesehen von den Festlichkeiten der Saison gewiss auch im Wahlkampfteam um Churchill viel Ablenkung, sodass sie ihm leichter als auf Jersey aus dem Weg gehen konnte.
Während ihrer Rückfahrt nach London regnete es. Sie sahen sich ab und zu an, um sich mit Blicken zu vergewissern, dass es die richtige Entscheidung war.
Kathryn begleitete Carl noch in die kleine Vorortgärtnerei von Bill Landsbury. Der teilte ihnen stolz und aufgeregt mit, dass die Rose von Darjeeling in Carls Abwesenheit mit einer der dreißig Goldmedaillen der Chelsea Flower Show ausgezeichnet worden war. »Ich mochte sie gar nicht mehr ins Freie stellen. Sie residiert jetzt im Kalthaus.«
Bill ging voran und öffnete die Tür. In der Mitte stand in einem Kübel der Rhododendron.
Carl sah Kathryn an. »Der ist für dich, Kathryn«, sagte er, mehr nicht.
Ihr Gesichtsausdruck belohnte ihn für alle Mühen. Die einzelne Blüte war ja schon grandios gewesen, aber dass ihr Wunschrhododendron von einst ein echter Strauch geworden war! Mit großen Augen und geöffnetem Mund bestaunte
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