Die Rose von Darjeeling - Roman
kannten die beiden jungen Frauen, so grüßten sie in alle Richtungen. Die Musik war zu laut für längere Gespräche.
Kathryn ließ ihr Chiffonjäckchen auf die Stuhllehne gleiten. Der in Falten gelegte Seidenstoff umrahmte in lockerem Fall bis zur Taille einen makellosen Rücken. Ihre Haut, hell und samtweich, hatte einen wunderbaren Schimmer. Ein feiner Flaum im Nacken und die perfekte Linie lösten bei jedem Betrachter den Wunsch aus, mit den Fingerspitzen darüberzufahren und die Silhouette weiter über die seidenbedeckten Hüften entlangzugleiten. Unter dem Stoff zeichnete sich Kathryns festes Gesäß ab.
Sie ging mit Sam die Nase pudern. Gustav pfiff leise durch die Zähne, als er sie von hinten sah, Carl verschluckte sich.
Die beiden jungen Frauen machten sich vor dem Spiegel im Waschraum frisch. »Ach, wie ich dich um deine Abenteuer beneide!« Kathryns Augen funkelten.
»Wieso sprichst du in der Mehrzahl?«, fragte Sam amüsiert.
»Na ja, das Abenteuer zu reisen und dann die Geschichte mit deinem Prinzen …« Kathryn flüsterte, für den Fall, dass hinter den Türen jemand mithörte.
»Er ist kein Prinz, nur ein adliger …«
»Ist doch auch egal«, unterbrach Kathryn. »Ich bin übrigens diese Woche zur Königin ernannt worden: zur Queen of Darjeeling!«
»Gratuliere, Majestät, du siehst auch sehr royal aus mit deinem Diadem.«
»Danke. Du darfst aber weiterhin ganz offen zu mir sprechen«, erwiderte Kathryn hoheitsvoll. Dann wurde sie ernster. »Nein, was ich vor allem meine, ist, dass du rauskommst. Dass du etwas erleben darfst, Sam … Nach Sikkim!« Sie breitete die Arme aus, drehte sich schwärmerisch im Kreis. »Das mystische Königreich! Die Natur soll phänomenal sein, und Heilkräuter sollen dort wachsen wie in keinem zweiten Land. Die endlosen Rhododendronwälder müssen jetzt blühen. Und die Menschen, wie die wohl leben?«
Sie suchte nach Worten, um der Freundin zu vermitteln, was das Eigentliche, das Großartige einer solchen grenzüberschreitenden Reise ausmachte. In den vergangenen Tagen hatte sie so vieles von Gustav und Carl über Sikkim erfahren, hatte deren Aufbruchstimmung gespürt, hatte beim Polizeipräsidenten so mitgezittert und sich mitgefreut, als würde sie selbst reisen. Aber sie musste zu Hause bleiben.
»Warum dürfen nur Männer solche Expeditionen unternehmen? Das ist doch ungerecht!« Kathryn stampfte mit dem Fuß auf.
Die Tür öffnete und schloss sich ständig, Frauen kamen herein, meist zu zweit, und drängten sich mit ihnen vor dem Spiegel.
»Bist du eigentlich in einen der beiden Deutschen verliebt?«, fragte Samantha, davon unbeeindruckt.
Kathryn schüttelte den Kopf, stieß heftig Luft durch die Nase: »Nicht mal meine beste Freundin versteht mich! Nein, bin ich nicht. Wir sind Kameraden.« Dann zuckte sie selbstironisch die Achseln. »Ich bin nur eine verhinderte Abenteurerin.«
Sam legte einen Arm um ihre Schulter und lächelte die Freundin im Spiegel an. »Majestät haben mein volles Mitgefühl.«
Kathryn streckte ihr die Zunge raus, musste dann aber doch lachen.
»Du … kann ich meiner Mutter sagen, dass ich dich für eine Woche besuche?«
Kathryn nickte. »Klar doch.« Es wäre nicht das erste Mal, dass sie Sam half, ihr Geheimnis vor der Mutter zu hüten.
Die Freundin gab ihr einen Kuss auf die Wange. »Danke! Tsarong wird seiner Familie sagen, dass er sich für einige Tage in eine Jagdhütte zurückzieht.« Sie giggelte. »Was ja nicht mal geschwindelt ist …«
Als Sam und Kathryn zu ihrem Tisch zurückkamen, hatten die Männer schon Sekt bestellt. Sie stießen gemeinsam auf den schönen Abend an. Gustav forderte Kathryn zum Foxtrott auf. Er führte sie mit sicherer Hand. Das war angenehm, aber durch seinen Abendanzug fühlte sie, wie angespannt er war, und sie verspürte den Wunsch, diese Anspannung zu lösen, ohne zu wissen, wie sie das anstellen sollte.
Carl tanzte mit Samantha. Beim Walzer wechselten sie die Partner. Die Tanzfläche war zu voll, um dahinzuschweben, doch Kathryn hatte ein herrlich leichtes Gefühl in Carls Armen. Sie bemühte sich, nicht wieder in der Tiefe seiner blauen Augen zu versinken. Deshalb warf sie lachend den Kopf in den Nacken, sobald sich dieser Sog erneut ankündigte.
Carl war genau wie Gustav in Gedanken bei den letzten Vorbereitungen für die Expedition und nur aus Höflichkeit noch mitgekommen. Irgendetwas an Kathryn irritierte ihn jedoch an diesem Abend, er kam aber nicht darauf, woran es lag. Beim
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