Die Rose von Darjeeling - Roman
Knoten hoch, »so richtig viel Zeit hab ich nicht. Jetzt ist Hochsaison. Und bald beginnt die Rhodo, die findet ja nur alle vier Jahre statt, und wir haben wirklich alle Hände voll zu tun mit den Vorbereitungen.«
Eigentlich konnte sie ihn überhaupt nicht gebrauchen. Julia hätte Max Whitewater am liebsten sofort abgewimmelt. Aber das ging nicht, weil sie gerade erst die Öffentlichkeitsarbeit für die Junggärtner übernommen hatte. Und weil ein Artikel in der angesehenen Park & Garden natürlich eine super Werbung wäre.
»Ich will Sie auch gar nicht von der Arbeit abhalten«, beteuerte Max. Er improvisierte rasch. »Es wäre großartig, wenn ich einfach mal einen Tag Mäuschen spielen dürfte. Um zu sehen, wie der Alltag in so einem Baumschulbetrieb abläuft.«
Julia sah wenig begeistert aus, aber sie stimmte zu. Sie bot ihm ein Paar Gummigaloschen an, führte ihn herum und erläuterte ihm den Traditionsbetrieb Jonas, den sie seit dem Tod ihres Vaters zusammen mit ihrer Mutter führte. Ihr Großvater sei ein bedeutender Züchter gewesen. Nein, leider habe sie ihn nicht mehr kennengelernt.
Max machte sich jede Menge Notizen. Er vergaß sofort wieder, was sie sagte, weil er mit allen Sinnen ihre Anwesenheit wahrnahm. Sie hatte Sommersprossen, wie süß, und war da nicht manchmal ein leichter Silberblick? Julia ließ sich über die diversen Vermehrungsmethoden aus.
»Auf dem Hochbeet vorhin habe ich geguckt, ob die Rhodosamen schon sprießen, die ich vor zwei Wochen gelegt habe. Man erkennt es im Gegenlicht an einem sehr zarten grünen Flaum …«
Sie lächelte. Ein breites Julia-Roberts-Lächeln. Ihre strahlend weißen Zähne standen etwas schief, was ihr einen natürlichen Charme verlieh.
»Normalerweise werden Neuzüchtungen in Tonschalen gesät und als kleine Pflänzchen in andere Schalen pikiert. Aber ich wollte sehen, ob sie so nicht vielleicht gleich robuster …«
Wie durch Watte lauschte Max ihrer Stimme, wohlige Schauer liefen ihm über den Rücken. Julia ging weiter, ihre Begeisterung für die Rhododendronzucht ließ ihn schmunzeln.
»Die gebräuchlichste Vermehrungsart ist die Veredelung mit Unterlagen von drei- oder vierjährigen Rhododendren, deren Ballen in diesem Alter durchweg gut durchwurzelt sind.«
Sie hat schöne Rundungen, dachte Max. Wie sie wohl in einem Kleid aussieht? Oder ohne Kleid …?
Sie führte ihn an den Eingang zu einem Kiefernwald, dort stiegen sie auf einen Kleintraktor um.
»Wir fahren jetzt in den Rhododendronpark. Zu Fuß würden wir mindestens einen Tag brauchen«, sagte Julia. »Nur damit Sie mal einen Eindruck bekommen. Ist leider noch ein bisschen zu früh.«
Max nahm seitlich auf dem Notsitz über einem schlecht gefederten Kotflügel Platz. Julia bereitete es sichtlich Vergnügen, über die gemulchten Wege zu knattern, und er hielt sich krampfhaft fest. Es roch nach gehäckseltem Holz. Viele Azaleen blühten schon, einige weiße und rosa Rhododendren auch. Die meisten Knospen der mehrere Meter hohen Büsche waren noch geschlossen, strotzten aber vor Kraft, als würden sie jeden Augenblick aufplatzen. Seitlich führten verschlungene Fußpfade in den Wald.
An einer Lichtung hielt Julia. Sie stiegen ab, und sie zeigte Max die Mutterpflanzen einiger bekannter Hybriden, die ihr Großvater gezüchtet hatte.
»Er soll einen Instinkt dafür besessen haben, welche Sorten zusammenpassen und ein gutes neues Ergebnis bringen«, sagte Julia stolz.
Selbstvergessen lauschte Max ihren Worten. Diesen großen sinnlichen Mund musste man doch küssen, allein der verführerische Schwung der Oberlippe erregte ihn.
»Das ist ein Geheimnis unseres Erfolgs«, sagte Julia. »Der wahre Grund, weshalb bei uns seit über zweihundert Jahren so erfolgreich Rhodos kultiviert werden, ist der humose saure Boden. Und natürlich das milde Klima dank der Nordsee in der Nähe.«
Max fiel etwas ein, was er beim Hotelfrühstück im Touristenprospekt gelesen hatte. So konnte er endlich mal eine kluge Frage stellen. »Stimmt es, dass achtzig Prozent aller in Deutschland verkauften Rhodos aus dieser Region stammen?«
Julia nickte stolz. »Ich glaube, es sind sogar neunzig Prozent«.
In das Tzieziedä der Meisen ringsum hämmerte von fern ein Specht, und es brach aus Max heraus: »Der Frühling ist eine wunderbare Jahreszeit, ist er nicht?«
Julia schenkte ihm ein breites Lächeln. Sie antwortete wie im Sprachunterricht. »O ja, er ist.« Dann warf sie einen Blick auf die Zeitanzeige ihres
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