Die Rose von Darjeeling - Roman
ging.
»Hallo, da seid ihr ja!«
Max bemühte sich, seine Freude nicht zu sehr zu zeigen und fragte Julia gleich, was es mit dem Diebstahl auf sich habe.
Julia stöhnte. »Ach! Unsere langjährigen Bestseller werden seit einiger Zeit gestohlen, offenbar illegal vermehrt und, wahrscheinlich von ausländischen Anbietern, deutlich günstiger auf den Markt geworfen.«
»Ist zum Mäusemelken!«, fluchte Hein.
»Die Ammerländer Betriebe halten zwar noch zusammen«, erklärte Julia, »aber die Konkurrenz anderswo arbeitet mittlerweile zu Dumpingpreisen. Diese Entwicklung bereitet nicht nur uns große Sorgen. Wir kämpfen mit Qualität und neuen Züchtungen dagegen an. Alle, die seriös in dieser Branche arbeiten, hoffen, dass man den Verbrechern bald das Handwerk legt … Aber es ist wohl sehr schwierig, auch wegen Kompetenzschwierigkeiten der Polizei.«
Max stellte noch einige Fragen. Am Ende hatte er begriffen, dass ein Züchter seine Schöpfung bei einer zentralen Erfassungsstelle anmeldete. Er konnte anderen Baumschulen gegen eine Gebühr die Erlaubnis erteilen, diese Kreuzung ebenfalls anzubieten. So lebten viele erfolgreiche Züchter also auch vom Lizenzverkauf. Die illegalen Vermehrer schädigten sie demnach doppelt und dreifach.
»Das ist ja skandalös!« Max war ehrlich empört.
»Wenigstens haben Sie Sinn für Gerechtigkeit.« Julia lachte. »Kommen Sie, ich zeig Ihnen unsere Neuzüchtungen des Jahres.«
Stolz führte Julia ihn zu den in Kübeln stehenden Pflanzen. Da die Knospen noch geschlossen waren, konnte Max nicht allzu viel damit anfangen. Er bemühte sich um ein paar freundliche Worte über die Blattformen.
Sie lächelte nachsichtig. »Also, wenn Sie schon was über die Rhodos im Ammerland schreiben wollen, dann müssen Sie natürlich bestimmte Parks aufsuchen …«
Max nickte eifrig. »Ja, ich weiß, ich hab Infomaterial und eine Adressenliste vom Fremdenverkehrsamt. Ich hoffe, dass mir nichts Wichtiges entgeht. Wer sich nicht auskennt, läuft natürlich schnell an den spannendsten Sorten vorbei. Und man sollte sicher auch mit der Kulturgeschichte dieser Parks und Gärten vertraut sein …«
Er wusste aus eigener Erfahrung, dass man als Einheimischer stets annahm, Bücher und Prospekte könnten einem Auswärtigen die über Jahre gewonnene Vertrautheit mit der Heimat niemals so vermitteln wie eine persönliche Führung.
»Wie lange haben Sie denn Zeit für Ihre Recherche?«, hörte Julia sich sagen.
»Oh … äh … so eine Woche.«
Sie kämpfte mit sich. Sollte sie ihm weitere Unterstützung anbieten oder nicht? Nein, dachte Julia, ausgerechnet jetzt passt es einfach überhaupt nicht. Ich kann mich nicht um einen spleenigen Engländer kümmern, wenn die wichtigste Ausstellung der Branche ansteht.
Sie wollte Experten und Besuchern den besten Überblick über ihr Sortiment präsentieren. Und sie hoffte, den Rose-von-Darjeeling-Wettbewerb zu gewinnen. Abgesehen vom Renommee könnte der Familienbetrieb die Siegerprämie nämlich sehr gut gebrauchen.
Julia seufzte ehrlich bedauernd. »Ja, dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Freude bei den weiteren Recherchen.«
Max überlegte fieberhaft, wie er die junge Frau zu einem Wiedersehen überreden könnte. »Man muss doch ein Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen!«, sagte er leidenschaftlich. »Es ist wichtig, dass die Kunden verstehen, wie viel Wissen, Zeit und Mühe hinter einer Rhododendronzüchtung stecken.«
»Das hätte ich nicht besser sagen können!«
Genau das war für Julia der Antrieb gewesen, trotz der Mehrarbeit ehrenamtlich die Öffentlichkeitsarbeit der Junggärtner zu übernehmen.
»Meinen Sie, es wäre möglich …«, Max schenkte Julia sein vielfach bewährtes charmantestes Lächeln, »… hätten Sie diese Woche vielleicht einmal Zeit und Lust, mich zu begleiten?«
Der Blick aus seinen blaugrünen Augen verursachte Julia ein seltsames Prickeln im Nacken. Ich könnte es als einen Tag Bildungsurlaub betrachten, überlegte sie. Bestimmt schadet es nicht, die Klassiker der Rhododendronkultur einmal wieder aufzusuchen.
Kurz entschlossen traf sie eine Entscheidung. »Also gut. Passt es Ihnen übermorgen?«
»Ja, prima.«
»Dann treffen wir uns um elf Uhr im Café am Marktplatz. Sie können es nicht verfehlen.«
Darjeeling – Sikkim
April 1930
Kathryn hangelte sich vorsichtig auf der schwankenden Hängebrücke hoch, um die beiden Pferde nicht noch mehr zu verängstigen. Unter ihnen donnerte der Teesta. Die junge Frau
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