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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Glas. Und auch sie äußerten sich begeistert, aber respektvoll über das, was sie zum ersten Mal aus der Nähe betrachten konnten.
    Der Rinpoche lud seine Besucher nun ein, Platz zu nehmen und ließ tsampa servieren, einen Brei aus gerösteter Gerste.
    »Was betrachtet ihr als den Sinn eures Lebens?«, fragte er die kleine Gruppe mit größter Selbstverständlichkeit.
    Kathryn fühlte sich im ersten Moment überrollt, doch dann fand auch sie nichts normaler, als sich über dieses Thema auszutauschen. War es nicht das wichtigste überhaupt? Aber was bedeutete »Sinn«? War es gleichbedeutend mit Bestimmung oder mit Karma, gab es so etwas überhaupt? Oder bedeutete es Nützlichkeit oder eher Ziel?
    Ratlos horchte sie in sich hinein.
    »Darüber kann man lange philosophieren«, antwortete Gustav verhalten.
    »Nicht lange nachdenken«, riet der Lama, »auf das Herz hören. Was sagt es?«
    Eine Weile blieb es still.
    »Ich glaube, mein Sinn des Lebens ist es, die Welt etwas schöner zu hinterlassen, als sie jetzt ist«, sagte Carl. »Mit wunderbaren Rhododendronzüchtungen, die länger blühen, Frost aushalten und Menschen erfreuen. Und die natürlich mein Auskommen und das meiner Familie sichern sollten.«
    Der Mönch lächelte nur.
    Gustav antwortete: »Ich will aus dem, was mein Großvater angefangen hat, eine Dynastie machen. Außerdem will ich die Gesellschaft mitgestalten und Einfluss nehmen.«
    Der Lama fragte auch Frank Robbins nach seinem Sinn des Lebens. Er antwortete sehr verlegen. »Ich bin ein unbedeutendes Rädchen im großen Getriebe.«
    »Du bist fast schon ein Buddhist«, erwiderte der Lama. »Dir fehlt nur noch mehr Heiterkeit.«
    Nun schaute der Mönch Kathryn an. Auf das Herz hören, wiederholte sie stumm. Was sagte es denn? Und dann schoss es aus ihr heraus.
    »Ich will Liebe, ein angenehmes Leben und Menschen helfen.«
    Der Mönch nickte geheimnisvoll lächelnd. »Strengt euch nicht zu sehr an, eure Ziele zu erreichen. Mit absichtsloser Absicht kommt man am weitesten.«
    Er begann seinen Oberkörper schaukelnd vor und zurück zu bewegen, sang mit geschlossenen Augen ein Gebet, während er die Perlen seines Rosenkranzes befühlte. Die dunklen, kehligen Klänge bereiteten Kathryn eine Gänsehaut. Ganz unvermittelt öffnete der Rinpoche die Augen wieder.
    »Für jeden von euch wird die Saat aufgehen«, sagte er feierlich, »jedoch anders, als er es erwartet.«
    Die jungen Leute schwiegen beeindruckt. Der Mönch erhob sich, legte jedem seiner Besucher einen weißen Schal um, wünschte ihrer Expedition viel Glück und begleitete sie hinaus.
    Keiner von ihnen sprach über die Begegnung mit dem weisen Mann. Sie bewegte sie zu sehr. Aber jeder hatte eine Entscheidung für sich getroffen. Ohne sich abzusprechen, unterließen Carl und Gustav es fortan, Kathryn das Leben schwerzumachen, und auch Robbins wusste nun, dass er die junge Teepflanzertochter nicht anzeigen würde. Sie sollte als Samantha Cox unbehelligt mit ihnen reisen.
    Am nächsten Tag erreichte die Truppe endlich Gangtok, wo sie zwei Übernachtungen eingeplant hatten, um für den anstrengenden weiteren Weg der Reise gut ausgeruht zu sein. Das hübsche Städtchen mit seinen pagodenförmigen Holzhäusern lag in über zweitausend Metern Höhe auf einem Bergrücken, von dem aus man auf den Fluss Ranipool heruntersah.
    Aus der Lagerhalle eines orientalischen Bazars holten sie den vorbestellten Proviant ab. Robbins bat um einen freien Tag. Erst auf Nachfrage rückte er damit heraus, dass die Frage nach dem Sinn seines Lebens etwas in ihm in bewirkt hatte.
    »Es gibt in Gangtok eine Frau, die mir viel bedeutet. Sie ist die Tochter eines angesehenen einheimischen Händlers.«
    Er hatte sich ihr nie erklärt, weil er der Meinung war, die Unterschiede zwischen ihnen seien zu groß, und es könnte für sie keine gemeinsame Zukunft geben. Aber er hatte sie in all den Monaten in Darjeeling nicht vergessen können. Und nun wollte er sie doch besuchen und sie wenigstens fragen, was sie für ihn empfand.
    Gustav und Carl besprachen, dass sie trotz ihrer Entscheidung einen letzten Versuch unternehmen wollten, Kathryn zum Bleiben zu bewegen und sich ihnen erst auf der Rücktour wieder anzuschließen, weil sie sich wirklich um sie sorgten.
    »Schau doch nur, Gangtok ist zauberhaft«, sagte Gustav. »Es gibt sehenswerte religiöse Stätten, und der britische Berater soll einen großen englischen Garten angelegt haben. Sicher darfst du dort flanieren. Auf dem Markt

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