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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Blätter, schnupperte an Dolden, befühlte Stämme und schüttelte sie. Kathryn drehte sich wie das Mädchen aus dem Sterntalermärchen unter dem Blütenregen, während Carl immer wieder lateinische Fachbegriffe ausrief und die frisch gefallenen Blüten mit vollen Händen in die Luft warf. Einige blieben auf Kathryns Haaren und Schultern liegen. Sie sah aus wie eine Braut.
    »Nachkommen!«, rief Gustav.
    Die Kolonne mit dem Colonel setzte sich in Bewegung und folgte ihnen. Carl begann zu fotografieren.
    Ein besonderer zitroniger Duft ließ sie innehalten.
    »Schaut, dort oben!«
    Kathryn hatte die Quelle erspäht. Große weiße, glockenförmige Blüten hingen in der Krone eines mit kleineren rötlichen Dolden ausgestatteten Baumes.
    »Ach, die dalhousiae!«, rief Carl entzückt. Er strahlte. »Diese Rhodos gedeihen als Epiphythen im Geäst anderer Bäume. Ganz ohne Wurzeln.«
    »Und wovon leben sie?«
    »Von Luft und Liebe.« Gustav lachte, er freute sich zutiefst für seinen Freund.
    Carl korrigierte. »Fast richtig. Von Luft und Feuchtigkeit. Ähnlich wie Misteln. Kann man aber nicht in unseren Breiten kultivieren«, bedauerte er. »Höchstens im Tropenhaus.«
    Kathryn beobachtete einen Vogel, der seinen Schnabel auf der Suche nach Insekten tief in eine Rhododendronblüte steckte und dann mit pollenüberstäubtem Köpfchen weiterflatterte. Carl faszinierte, wie Kathryn sich darüber freute. Über die kleinen Grübchen in ihren Wangen vergaß er sogar, ein Foto zu machen.
    »Verdammt!«, fluchte Gustav plötzlich.
    Er schlug sich auf Schuhe und Beine. Ungezählte winzige schwarze Blutegel züngelten durch die Wickelgamaschen und durch die Luftschlitze des Schuhwerks. Kathryn schaute auf ihre Beine, ihr spitzes Iiiihh ging im allgemeinen Geschrei unter. Denn nun klopften alle hysterisch an sich herum, auch die Hartgesottensten unter den Trägern. Viele Blutegel hatten sich längst festgesaugt und ließen sich nicht so einfach abschütteln.
    »Pass auf!«
    Carl riss Kathryn zur Seite. Joshi scheute vor dem plötzlichen Aufruhr, nur knapp entging sie dem Hufschlag ihres auskeilenden Pferdes.
    »Ans Wasser!«, brüllte Gustav.
    Die Träger liefen so schnell sie konnten. Die Reiter saßen blitzschnell auf und galoppierten zum nächsten Bach, wo sie die ekligen Tiere mit Bergpickeln zerdrückten und im eisigen Wasser abspülten. »Verbrennt ihnen das Hinterteil«, sagte Robbins.
    Den letzten renitenten, schon mit Blut dick vollgesogenen Exemplaren heizten sie mit glühenden Zigaretten ein.
    Kathryn steckte sich schließlich auf den Schreck selbst eine Zigarette an. Gleich musste sie husten.
    Carl grinste. Sie konnte förmlich sehen, wie er dachte: Schulmädchen. Sie streckte ihm die Zunge raus und warf die Zigarette in den Bach.
    Colonel Robbins schmunzelte.
    »Du bist irgendwie verändert, Frank«, sagte Kathryn zu ihm.
    Er wurde rot. »Ach, ja?«
    »Sag schon, was ist der Grund?«
    Er räusperte sich. »Ich hab sie gefragt.«
    »Die Händlerstochter in Gangtok?«
    Seine Augen funkelten. Er war es nicht gewöhnt, über Gefühle zu sprechen. »Yep!«
    Kathryn lächelte verschmitzt. »Wie schön, Frank! Und was bedeutet das?«
    Die Röte um seine Ohren verstärkte sich noch. »Dass ich demnächst eine Arbeit in Gangtok suche.«
    Sie zogen weiter, es ging stetig bergan. Inzwischen mussten sie auf über dreitausend Metern Höhe sein. Endlich brauchten sie die Blutegel nicht mehr zu fürchten. Dafür bereitete die dünne Luft ihnen immer größere Schwierigkeiten. Kathryn fühlte bei jedem Schritt ein Stechen in der Lunge, sie musste öfter verschnaufen. Der Nebel, der dichter und dichter wurde, kroch in ihre Kleidung. Innerhalb kürzester Zeit war alles klamm.
    Die Vogelrufe klangen hier oben anders, einsamer, eher wie lang gezogene heisere Schreie. Das ferne Knattern von Gebetsfahnen drang gedämpft wie durch Watte zu ihnen durch, manchmal war es vermischt mit dem Plätschern eines Baches oder dem Donnern eines Wasserfalls.
    Die Rhododendren wurden kleiner im Wuchs, je höher sie kamen. Kathryn fand ihren Anblick im Vergleich zu den Prachtexemplaren, die sie im Wald gesehen hatten, enttäuschend.
    »Sie sehen zwar nicht so gut aus«, erklärte Carl, »aber sie sind verdammt widerstandsfähig – das ist gutes Erbmaterial für Züchtungen. Ich hoffe, dass wir auf die winterhärtesten Arten der Welt stoßen.«
    Erst spät am Nachmittag begann der Nebel sich aufzulösen. Was sie sah, machte Kathryn sprachlos. Nach den

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