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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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bohrt sie sich in die neuen Knospen. Dadurch können Pilzsporen eindringen, und die Knospen sterben ab.«
    »Ich könnte dir noch stundenlang so zuhören.«
    »Gefürchtet ist auch das Triebsterben.«
    »Zu Recht, würde ich sagen.«
    »In diesem Fall muss man die befallenen Triebe rechtzeitig entfernen und vernichten. Leider ist die Liste der übrigen Gefahren lang: Mehltau, Sonnenbrand, Frostschäden, Wurzelhalsfäule …«
    Max war fasziniert. Aber sie hätte ihm auch die Tarifbedingungen der Deutschen Bahn vorlesen können … Julia wirkte so aktiv, so fröhlich. Die melancholischen Schübe seiner geliebten Großmutter hatten über Jahrzehnte das Familienleben der Taintsworths geprägt. Doch diese junge Frau machte den Eindruck, als könnte nichts sie aus der Bahn werfen. Max musste sie immerzu anstarren.
    »Müssen wir nicht eigentlich noch Brüderschaft trinken?«
    Jetzt nahm er die Brille ab. Julias Herz machte einen Hüpfer. So eindringlich sah er sie an, so intensiv mit irisierenden Farbwechseln zwischen Grün und Blau … Julia fühlte sich unter diesem Blick, als wäre sie der wichtigste Mensch auf der Welt. Es fühlte sich aufregend an – und es beunruhigte sie zutiefst. Sie hasste es, die Kontrolle zu verlieren. Seine Hand schob sich langsam über die blanke Eichenplatte in Richtung ihrer.
    Julia räusperte sich. »Sag mal, versuchst du gerade, mit mir zu flirten?«
    Als Antwort sah er ihr nur weiter in die Augen. Julia spürte Panik in sich aufsteigen. O bitte, lass das! Es wird nur wieder wehtun, dachte sie. Hastig zog sie ihre Hand weg. Mit der anderen nahm sie seine Brille.
    »Kannst du überhaupt sehen ohne? Die Gläser sind ja ganz schön stark«, lenkte sie ab.
    Die Anspannung war verflogen, und Max erzählte eine lustige Geschichte, wie er als Pubertierender einmal versucht hatte, ohne Brille durch die Welt zu kommen. Er hatte sich, ohne es zu merken, an einem Strand ausgerechnet im Abschnitt für FKK -Anhänger niedergelassen. Julia lachte. Sie unterhielten sich weiter über Gott und die Welt.
    Dass sie die letzten Gäste waren, merkten sie erst, als die Kellner die Stühle auf den Tisch stellten. Beide durften nicht mehr Auto fahren. Max kam zu Fuß in sein Hotel. Er suchte Heins Visitenkarte hervor und rief ihn an, bevor Julia protestieren konnte. Kurz darauf begleitete er sie zum Parkplatz, wo Hein seine leicht schwankende Chefin in Empfang nahm. Er mochte den Engländer.
    »Max, wenn du morgen nichts Besseres zu tun hast, kannst du nach Feierabend auf meinem Hof vorbeigucken. Adresse steht auf der Karte. Ich trainier fürs Schweinerennen, findet zur Rhodo statt.«
    »Das gehört zwar nicht zum offiziellen Festprogramm«, Julia grinste, »aber ich würd’s mir nicht entgehen lassen.«
    »Jau«, bestärkte Hein, »und du tust mir damit einen Gefallen.«
    »Ehrlich?«
    »Er braucht Publikum, damit die Schweine sich an das Gröhlen gewöhnen. Es kommen viele Nachbarn.«
    »Bist du auch da?«, wollte Max wissen.
    Julia schüttelte den Kopf. »Ich muss arbeiten.«
    Max frühstückte am nächsten Tag verspätet. Um den schweren Kopf loszuwerden, schwamm er ein paar Runden im Hotelpool. Mit Pools hatte er kein Problem, doch seine Angst vorm Baden im offenen Meer war geblieben. Wenn im Sommer seine Freunde in die Fluten sprangen, musste er immer noch passen.
    Er duschte und genoss im Bademantel die Sonne auf seinem luxuriösen halbrunden Balkon, der unter einer Dachgaube lag und einen weiten Blick übers glitzernde Zwischenahner Meer bot. Max dachte wieder häufiger an seine Großmutter Kathryn, seit er in Deutschland war. An ihrem letzten Tag hatte sie ihm eine Geschichte versprochen, die irgendwie mit der Rose von Darjeeling zusammenhing. Welches Geheimnis mochte sie mit in den Tod genommen haben? Jahrelang hatte er sich darüber den Kopf zerbrochen.
    Max nahm sich seine Ammerland-Landkarte und markierte darauf einige Dörfer, in denen er alte Bauerngärten vermutete. Den ganzen Tag über kurvte er auf kleinen Seitenstraßen durch den Landkreis. Er kam durch Orte mit seltsamen Namen: Halsbek, Neuenkruge, Wiefelstede, Linswege, Ocholt, Augustfehn, Apen, Howiek … Im Schritttempo fuhr er an Gärten vorbei, hielt ab und zu, spähte über Zäune, lugte durch Hecken. Einige Male entdeckte er rot blühende Rhododendren, doch es waren immer andere Farbnuancen, andere Sorten als die gesuchte. Diese Methode, das war ihm aber längst klar, vertraute zu sehr auf den Zufall.
    Wenigstens gewöhnte er sich

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