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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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»Ich bin früh aufgewacht, weil ich mir viele Gedanken mache. Ich weiß nicht, ob ich als Übersetzer in Gangtok genug verdienen kann«, vertraute er Carl seine Sorgen an. »Vielleicht sollte ich besser ein Geschäft aufmachen. Auf gar keinen Fall will ich mit meinem künftigen Schwiegervater zusammenarbeiten.«
    »Was für ein Landsmann ist er?«
    »Die Familie meiner Braut kommt aus Nepal, Händler, Barbiere, Künstler, sogar ein Brahmane, ein heiliger Mann ist darunter … Alles Hindus, aber zum Glück sind die Nepalesen in Sikkim nicht so streng, sie dulden auch Verbindungen der Kasten untereinander.«
    »Na, immerhin.«
    »Allerdings schauen sie auf die Bhotias und Lepchas herab.«
    »Überall auf der Welt dummer Dünkel.«
    »Es ist nur so, mir fehlt das erforderliche Startkapital.«
    »Das wird sich schon finden«, meinte Carl.
    Colonel Robbins spürte, dass Carl sehr angespannt war. Er konnte sich denken, dass er sich um Gustav und Kathryn sorgte und versuchte, ihn zu beruhigen.
    »Den beiden passiert schon nichts. Solange das Wasser nicht steigt, sind sie auf der kleinen Insel sicherer als am anderen Ufer.«
    »Ich weiß …«
    Carl nickte, doch er klang alles andere als überzeugt. In diesem Moment begriff der Colonel, was ihn wirklich bedrückte. Wie seltsam, dachte er, dass Außenstehende Verliebtheit oft früher erkennen als die Betroffenen selbst! Na, hoffentlich bedeutete das keine Komplikationen …
    »Wir sollten los«, sagte er und dachte: Dann wird Carl auf andere Gedanken kommen.
    Carl rief den Sirdar. »Seid ihr bereit? Es ist Zeit aufzubrechen.«
    Zur selben Stunde saß Gustav auf der kleinen Felseninsel und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Das Erlebnis mit Kathryn hatte ihn zutiefst verwirrt. Er wollte sich in den nächsten Tagen selbst prüfen. Hatte das, was er in diesem Moment für die Pflanzertochter fühlte, Bestand? Ob sie wohl bereit wäre, mit ihm in Deutschland zu leben? Ja, er konnte sich vorstellen, mit ihr eine Familie zu gründen. Kathryn könnte die Mütter seiner Söhne werden. Diese Erkenntnis überwältigte ihn. Damit hatte er nicht gerechnet. Ungläubig und zugleich glücklich dachte er: Die Liebe hat mich gefunden. Aber während der Expedition wollte er sich zurückhalten. Er wollte sein Schicksal nicht herausfordern.
    Gustav umschloss Kathryn fester und drückte der Schlummernden zart einen Kuss auf die Stirn. Sie regte sich im Halbschlaf, doch er beruhigte sie gleich wieder.
    Der Mond versank hinter dem Kangchendzönga. Mit Sorge beobachtete Gustav, dass Wolken aufzogen. Hoffentlich gab es keinen Regen! Die Welt um ihn herum färbte sich dunkel.
    Aber unter den Wolken kündigte sich bald der Sonnenaufgang an. Die Silhouette der Bergkette war in rosenholzfarbenes Licht getaucht. Allmählich wurden die Gipfel sichtbar.
    Kathryn zuckte im Traum zusammen, sogleich wiegte Gustav sie besänftigend in seinen Armen. Das Panorama vor seinen Augen erinnerte nun an die Landschaft auf einer alten chinesischen Tuschezeichnung, sie wirkte wie ein Bühnenbild. Aber es war doch keine Aufführung, sondern sein echtes Leben! Er war mitten darin und fühlte sich so lebendig wie noch nie. Gustav schien es, als würde die Welt in diesem Augenblick neu erschaffen – für ihn und Kathryn.
    Als Kathryn die Augen aufschlug, sah sie in der Morgendämmerung am Ufer gegenüber Carl und einige Männer unruhig um ein Feuer herumstehen. Erleichtert registrierte sie, dass tatsächlich, wie Gustav es vorhergesagt hatte, wieder alle Steine der Flussstraße aus dem Wasser ragten.
    Gustav gab Carl ein Zeichen, dass sie jetzt den Strom passieren würden und bedeutete Kathryn, als Erste zu gehen. Carl empfing sie und dann Gustav mit einer herzlichen, aber stummen Umarmung. Ein deftiges Frühstück erwartete die Ausgehungerten, es roch nach gebratenem Speck und Eiern.
    Während sie aßen, suchte Carl verstohlen in den Gesichtern seiner Freunde nach Veränderungen. Nach etwas, das ihm verriet, was in dieser Nacht auf der Insel geschehen war. Kathryn plauderte unbefangen wie immer, aber Gustav – saß er nicht seltsam beseelt und in sich gekehrt da?
    Dann schalt Carl sich selbst wegen seines Misstrauens. Es war doch klar, dass sein Freund nach den Unbequemlichkeiten und Sorgen der vergangenen Stunden nicht munter wie immer sein konnte.
    Sie brachen das Lager ab. An diesem Tag noch wollten sie den letzten Rastplatz vor dem Zemu-Gletscher erreichen. Es begann zu regnen. Niemand hatte mehr einen Blick für die

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