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Die Rose von Darjeeling - Roman

Die Rose von Darjeeling - Roman

Titel: Die Rose von Darjeeling - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Lott
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Körper fühlte sich so warm und fest und sicher und fordernd und ungewohnt und doch vertraut an, seit Ewigkeiten hatte sie diesen Moment ersehnt.
    Auf einmal wurde ihr schwarz vor Augen, und sie fiel in ein tiefes schwarzes Loch. Kathryn nahm nichts um sich her mehr wahr.
    Erschrocken fing Carl sie auf und trug sie in die Hütte. Als er sie auf ihr Lager legte, schlug Kathryn die Augen auf.
    Carl lächelte sie an. »Wir können es langsam angehen lassen«, sagte er zärtlich. »Wir haben alle Zeit der Welt.«
    Die Lepcha-Männer klatschten und sangen, der Schamane tanzte. Er widmete nach uralten Ritualen die Opfergaben verschiedenen Göttern. Die Luft war erfüllt vom Duft köstlicher Speisen, würziger Räuchereien, süßer Blüten und nassen Laubes.
    Kathryn stand unter den Zuschauern zwischen Carl und Robbins. Als Gustav zu ihnen stieß, bewunderte er gleich Kathryns blumigen Kopfschmuck.
    »Selbst geflochten?«, fragte er.
    Sie verneinte. »Er ist von Carl.«
    Das Lächeln um Gustavs Mundwinkel erstarrte, schweigend wandte er sich ab.
    Kathryn hatte keine Gelegenheit, sich Sorgen zu machen, denn das Zeremoniell war beendet, und es gab ein Festmahl mit maruwa, einem Gebräu aus zerstampfter, gegorener Hirse. Alle setzten sich auf den Dorfplatz in einen Kreis und sogen das Getränk durch dünne Bambusrohre aus einem großen Bambusbehälter, der in der Mitte stand. Sogar kleine Kinder schlürften daraus. Es schmeckte wie eine Mischung aus Bier, Stachelbeersaft und Johannisbeermost. Die Europäer waren härtere Sachen gewohnt und machten sich keine Gedanken über den Alkoholgehalt. Wenn es sogar Kinder trinken durften! Vielleicht lag es an der Höhenluft, am geringen Sauerstoffgehalt, dass sie dennoch bald berauscht waren.
    Tschuki kam zu Kathryn und stellte ihr stolz ihren jüngsten Mann vor.
    »Ihr ältester Mann Sonam geht mit uns auf den Gletscher«, übersetzte Robbins verlegen, denn die alltägliche Lepcha-Sprache enthielt einige obszöne Vokabeln. »Und die beiden hier freuen sich, dass sie dann … äh … endlich mehr Zeit füreinander haben.«
    Dann habe ich die Geschichte mit der Vielmännerei doch richtig verstanden, dachte Kathryn.
    Das Gelächter wurde immer lauter und die Stimmung unbefangener. Paare verschwanden in ihre Hütten. Auch Colonel Robbins wollte noch wie jeden Abend einen Tagesbericht für seine Braut schreiben.
    Als leichter Graupelregen einsetzte, verzogen sich auch die Letzten unter Dächer, einige Lepchas brachten noch die Essensreste in Sicherheit. Die Lichter in den Hütten verloschen nach und nach.
    Kathryn warf kleine Zapfen ins Feuer, die darin knackten, ein dichtes Blätterdach schützte sie vor der Nässe. Nachdem es ruhiger geworden war, spürte sie die Spannung zwischen Carl und Gustav, und das gab ihr ein schlechtes Gefühl. Natürlich, sie war der Grund. Dabei wollte sie doch alles andere als die guten Freunde gegeneinander aufbringen.
    Kathryn hob den Blick, sah in Carls Augen, und ihr Herz wurde weit. Sie lächelte zaghaft, empfand großes Glück … Und dann sah sie Gustav an, der so viel Sehnsucht und Begehren aussandte, dass sich ihr Herz augenblicklich zusammenkrampfte. Ihn mochte sie doch auch!
    Plötzlich platzte es aus ihr heraus: »Können wir es nicht genauso halten? Warum muss es ein Problem sein, wenn …«
    Sie erschrak ein wenig vor ihrer eigenen Courage. Hoffentlich hielten die beiden sie nicht für moralisch verderbt! Aber andererseits waren sie moderne junge Menschen. Und spürten Carl und Gustav nicht ebenso wie sie, dass es ein Wahnsinn war, sich gegenseitig für etwas so Wunderbares wie das, was ihnen jetzt gerade widerfuhr, zu bestrafen?
    Die Männer reagierten schon mit ihrer Körpersprache ablehnend.
    »Du meinst so was wie Liebe zu dritt?«, fragte Gustav entsetzt. Er verschränkte die Arme fest vor seiner Brust. »Niemals, auf gar keinen Fall!«
    Carl musterte Kathryn befremdet. »Wenn man richtig liebt, braucht man keinen Dritten.«
    Kathryn ärgerte sich darüber, dass sie den Mut aufgebracht hatte, das Thema anzusprechen. »Ach, so meine ich es doch nicht. Wie ihr es sagt, klingt es irgendwie ganz plump … Ich weiß selbst nicht genau, wie es gehen soll, ich wollte aber einmal mit euch zusammen darüber nachdenken, ob es denn immer so sein muss, wie die Konventionen es vorgeben.«
    »Die Konventionen hier geben ja offenbar etwas anderes vor als bei uns zu Hause und bei dir …«, rutschte es Carl mit einem Grinsen heraus.
    Kathryn lächelte.

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