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Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten

Titel: Die Rose von Ernstthal. Erzgebirgische Dorfgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Tag aber hatte dieser Unentschlossenheit ein schnelles Ende bereitet.
    Die Abwesenheit Paul’s war, da er unter keiner besonderen Aufsicht stand und sich Niemand groß um ihn zu bekümmern pflegte, nicht eher bemerkt worden, als bis der Wagen, der ihn von seiner Befreiungsfahrt zurückbrachte, vor dem Thore hielt. Die Kugel hatte ihn nur leicht am Kopfe gestreift, so daß für sein Leben nicht das Geringste zu befürchten war; aber der begleitende Aufseher hatte sich seines Auftrages, der nachlässigen Mutter streng zu begegnen, so gut entledigt, daß ihr die selige Hochzeitsstimmung vollständig verloren gegangen war.
    Die Kunde von dem Abenteuer des unternehmenden Kindes hatte sich schnell im Dorfe verbreitet, und vor noch nicht langer Zeit war die Lindenbäuerin in Begleitung des Richters gekommen, um es provisorisch zu sich zu nehmen, da zur eigentlichen Entscheidung erst noch weiter berichtet werden mußte.
    Das war ein harter Schlag für die Frau vom Fährmannshofe gewesen. Ihr Mutterherz allerdings fühlte sich nicht im Geringsten verletzt, aber ihr Stolz war gedemüthigt und ihre vermeintliche Ehre gekränkt, – darum saß sie jetzt kalt und zornig an der Seite des liebeglühenden Bräutigams und wollte sich über den ihr widerfahrenen Schimpf nicht trösten lassen.
    »Wer ist denn schuld, daß er fortgelaufen ist? Nicht ich, sondern Du!« warf sie ihm vor. »Du hast ihn geschlagen, daß mir himmelangst geworden ist! So ein Kind ist doch kein Pferd, mit dem Ihr Reiter umspringen könnt, wie’s Euch beliebt!«
    »Du hast mir ja befohlen, daß ich ihn hauen soll, und ich hab’ noch nie vernommen, daß die Schläg’ mit der Goldwag’ abgemessen werden müssen! Und bin ich etwa nicht gleich fertig gewesen, als Du mir Einhalt thatest? Laß doch den Buben sein! Es ist ganz schön, daß wir ihn losgeworden sind.«
    »Das mein’ ich auch, wenn’s nur auf eine andere Art geschehen wär’, und grad’ zum Poltertag! Nun hab’ ich das Gered’ im Dorf und möcht’ mich vor gar Niemand blicken lassen.«
    »Das macht mir keine Sorg’. Wir bleiben dennoch, wer wir sind! Hast Dich nicht gescheut, vom Mann hinwegzukommen, so brauchst Dich auch nun jetzt bei seinem Buben nicht zu ärgern!«
    Er hätte wohl seinen Versuch, sie zu besänftigen, weiter fortgesetzt, aber im Hofe ertönte Pferdegetrappel, und gleich darauf kam die Magd und meldete bestürzt:

    »Bäurin, Ihr sollt schnell herunterkommen; es ist ein – Gendarm da!«
    »Ein Gendarm?«
    »Ja, und noch dazu ein reitender!«
    »Was mag der wollen? Ist’s auch richtig, daß er den Fährmannshof sucht?«
    »Ja.«
    »So sag’, ich komm’ gleich! Gehst doch mit, Kurt?«
    »Ich? Was soll denn ich dabei? Er hat doch nach Dir und nicht nach mir gefragt!«
    »Aber ich fürcht’ mich allein! Du wirst der Bauer und mußt mit!«
    Nur mit Widerstreben folgte er ihr. Er trug, obgleich er um den Abschied eingekommen war und denselben alle Stunden erwartete, die dralle Uniform mit großer Ostentation zur Schau. Auch fehlte es ihm nicht an persönlichem Muthe, das hatte er auf manchem Tanzsaale bewiesen; jetzt aber sah er nichts weniger als nach großen Heldenthaten aus und blieb beinahe verlegen an der Thür stehen, als sie unten eingetreten waren. Der Sicherheitsbeamte erwartete sie mitten in der Stube. Die Anwesenden saßen kleinlaut auf ihren Plätzen und harrten ängstlich der Dinge, die da kommen würden.
    »Sie sind die Frau vom Hause hier?« war seine erste Frage.
    »Ja.«
    »Ihr Mann ist abwesend?«
    »Mein Mann? Ich bin geschieden!«
    »Ach so! Wer ist der Herr in Uniform?«
    »Das – das ist mein Bräutigam.«
    »Ich gratulire!« Er sah sich in der Stube um und bemerkte die festlichen Vorbereitungen. »So haben Sie wohl gar Hochzeit?«
    »Morgen.«
    »Das dürfte allerdings die Sache ändern! Wann haben Sie Ihren ersten Mann zum letzten Male gesehen?«
    »Als er – fortgeführt wurde!«
    »Seitdem nicht wieder?«
    »Nein.«
    »Auch heut’ nicht?«
    »Nein,« antwortete sie erstaunt.
    »Sie haben einen Knaben?«
    »Ja.«
    »Wo befindet er sich?«
    »Auf dem Lindenhofe.«
    »Warum?«
    »Weil ihn die Bäurin als Kind annehmen will.«
    Er nickte leise, als erkenne er die Wahrheit eines Gedankens, der ihm gekommen war.
    »Ihr Mann ist heut’ aus der Gefangenschaft entsprungen; es ist sehr leicht möglich, daß er Sie aufsuchen will, und ich werde daher Ihr Gut besetzen lassen. Wer sich gegenwärtig in demselben befindet, darf es nicht eher wieder verlassen,

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